Ich, Heinrich VIII.
still da und nickte, als habe er es die ganze Zeit gewusst.
»Ich werde eine Schar vertrauenswürdiger Kuriere bei der Hand haben, ausgestattet mit den besten Pferden aus den königlichen Stallungen. Ich beabsichtige, die Reichsgeschäfte so gut zu führen, wie dies menschenmöglich ist, und ich werde Euch schleunigst alles zukommen lassen, auf dass Ihr es in Ruhe erwägen könnt. Unterdessen bete ich zu Gott, dass er uns bewahren und unser Leben schonen möge.«
Und wir alle bekreuzigten uns.
Lass es nicht mich treffen, betete jeder von uns. Verschone mich.
CXIX
W ürde ich allein nach Wolf Hall reisen? Lieber wäre es mir gewesen, aber als König brauchte ich eine Hand voll zuverlässiger Begleiter, darunter vorzugsweise einen Seymour, da ich mich in das Haus dieser Familie begab. Edward Seymour konnte ich nicht bitten; das war mir klar geworden. Er war für das Reich zu wichtig; besser zog er sich an einen anderen Ort zurück, um sein Leben zu retten, falls unsere Gesellschaft erkrankte. Thomas – er war unterhaltsam, er war vergnüglich, aber im Grunde war er ein Mann von so wenig Substanz, dass er niemals eine bedeutende Stellung innegehabt hatte; folglich würde es auch kein Verlust für England sein, sollte er mit mir zusammen der Pest zum Opfer fallen.
Kann man ein schlimmeres Urteil über das Leben eines Menschen fällen? Er ist entbehrlich. Es ist gleichgültig, ob er stirbt oder nicht. Mich schauderte, als ich es nur dachte, denn es klang wie ein Fluch. Ich mochte Tom Seymour, und ich hatte es nicht böse gemeint … Aber die Wahrheit war, dass sein Vorhandensein für keine Unternehmung und für keinen Menschen von wesentlicher Bedeutung war.
Eine Frau musste dabei sein, denn weiblicher Einfluss in diesem Exil war notwendig. Eine sanfte Frau, eine gütige Frau, eine Frau, die sich um Edward kümmerte, die seine Studien weitertreiben konnte; ich war nicht erpicht darauf, seine Lehrer mitzunehmen. Die Witwe Latimer, Kate Parr – war sie noch am Hofe? Ich hatte gezögert, Catherines verbliebenen Haushalt restlos aufzulösen. Da ich nicht die Absicht hatte, mich wieder zu verheiraten, wusste ich, es würde bei Hofe keine Frauen mehr geben, wenn Catherines Damen erst fort wären. Nicht, dass mir etwas daran gelegen hätte. Aber meine Diener, mein Rat, meine Musiker – denen lag etwas daran. Ein mönchischer Hof würde niemandem gefallen, würde keine erstklassigen Köpfe anlocken. So zauderte ich und schob es immer wieder auf, bewahrte posthum den Hofstaat einer toten Königin.
Und Lady Latimer war noch am Hofe, wenngleich sie schon um die Erlaubnis eingekommen war, nach Snape Hall, auf das Anwesen ihres verstorbenen Gemahls in Yorkshire, zurückzukehren und sich um ihre drei Stiefkinder zu kümmern. Ich ließ sie rufen.
Sie erschien prompt, und als ich ihr meinen – wie ich geglaubt hatte, erstaunlichen – Antrag vorgetragen hatte, erhielt ich eine erstaunliche Antwort.
»Ich möchte lieber geradewegs in mein eigenes Haus zurückkehren«, erklärte sie nämlich. »Meine Ländereien, meine Bediensteten, Lord Latimers Kinder – sie alle werden mich dort brauchen in diesen wirren Zeiten …«
Beim Blute Gottes! Verstand sie denn nicht? Der Tod ging um, nicht »wirre Zeiten«. Die Pest erforderte keine tüchtige Verwalterin. Zudem war meine Bitte keine »Bitte« gewesen. Eine königliche Bitte ist ein Befehl.
»Madam«, sagte ich, »ich habe keine Zeit, mit Euch zu debattieren. Ihr werdet Edward in das Haus seiner Mutter in Wiltshire begleiten. Ihr werdet ihn in seinen Studien anleiten, derweil wir darauf warten, dass die Pest nachlässt. Wir werden morgen Früh aufbrechen. Diesen Abend mögt Ihr darauf verwenden, Anweisungen an Eure Diener und Eure Pächter in Snape Hall zu schreiben.«
Sie starrte mich finster an, nickte dann ruckhaft mit dem Kopf.
»Ich weiß, es ist diktatorisch«, erklärte ich unversehens. »Aber die Zeiten zwingen mich dazu. Ich brenne wahrlich nicht darauf, für Monate vor dieser verschlagenen Mörderin, der Pest, zu entfliehen. Ich verlange von meinen Untertanen nichts, was ich nicht selbst zu tun bereit bin. England braucht Euch, Madam.«
Sie sträubte sich, aber die Schmeichelei gewann die Oberhand. Nur war es keine Schmeichelei. Ich hatte die Wahrheit gesagt. Ich war England, und Edward war England, und in diesem Augenblick brauchten wir sie dringend.
»Wer begleitet uns sonst noch? Bringt Ihr Lehrer mit?«
»Nein«, antwortete ich. »Ich habe Cox und Cheke
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