Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Haus kein Licht gebrannt und um dreiundzwanzig Uhr niemand auf das Klopfen an der Tür reagiert hätte. Wo waren Sie letzte Nacht?«
Liv holte schnell Luft. »Warum hat jemand an meine Tür geklopft?«
»Der Befehl lautete, alles Ungewöhnliche zu beobachten. Sie haben vier Nächte hintereinander das Licht angelassen. Die Beamten waren nur gründlich. Wo waren Sie, Liv?«
»Bei einem Freund.«
»Hat Ihr Freund auch einen Namen?«
Sie schwieg. Rachel würde davon ausgehen, dass sie mit Daniel geschlafen hatte. Okay, das hatte sie auch, aber das musste nicht im Polizeibericht stehen. »Ist das so wichtig?«
Rachel sah Liv regungslos an, man hätte es für einen Einschüchterungsversuch halten können. Doch das war es nicht. Rachel beugte sich plötzlich zu ihr vor und verschränkte die Finger auf dem Schreibtisch. »Ich verstehe, dass sich das wie ein Verhör und ein Eingriff in Ihr Privatleben anfühlt. Das weiß ich. Ich werde auch im Augenblick nicht weiter darauf bestehen, dennoch mache ich mir um Ihre Sicherheit Sorgen. Zwei Menschen liegen im Krankenhaus. Ich möchte nicht, dass Sie die Nächste sind.«
Aus ihrer Stimme klang mehr heraus als die Anweisung einer Polizeibeamtin. Vielleicht hatte auch sie wie Liv das Gefühl, dass Gefahr drohte, oder vielleicht war Liv inzwischen für sie mehr als ein Name oder eine Akte. Vielleicht hatte auch sie einen Sohn oder einen Angehörigen, der im Sterben lag. Vielleicht kam viel zusammen.
Rachel lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Ich glaube, dass die Person jemand ist, den Sie kennen, vielleicht sogar jemand, den Sie für einen Freund halten. Sie müssen sehr sorgfältig überlegen, wen Sie als Freund bezeichnen. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Sie wissen etwas«, sagte Liv.
»Nein, ich weiß nichts.«
»Was dann?«
»Ich habe Fragen, die nach Antworten verlangen.«
»Von einem meiner Freunde?«
Rachel wandte kurz den Blick ab und sah sie dann wieder an. »Ich kann Ihnen nicht sagen, mit wem ich gesprochen habe.«
»Aber es ist jemand, den ich kenne.«
»Das darf ich nicht sagen …«
»Sie waren gestern hier, haben am Ende des Flurs gewartet. Haben Sie auf Anthony oder Daniel gewartet?«
Ihre Stimme nahm einen förmlichen Ton an. »Mein Partner und ich haben mit jedem in diesem Gebäude gesprochen. Wir haben mit vielen Leuten gesprochen, Liv. Das ist eine Ermittlung. Es gibt Gründe, weshalb ich Ihnen nichts Näheres darüber sagen kann. Ich kann nur so viel sagen, und das ist mehr, als ich sollte, dass ich an einige Personen in Ihrem Umfeld Fragen habe. Sie sollten darauf achten, wem Sie vertrauen.«
38
Als Rachel ging, saß Liv an Teagans Schreibtisch, rieb sich die Augen und wartete, dass der Computer hochfuhr. Ein Freund? Welcher Freund würde Tee von einem Gebäude stoßen und Sheridan gegen einen Baum krachen lassen?
Sie stand auf und ging durch das Büro. Warum sollte jemand den Menschen schaden, die ihr wichtig waren? Warum kam er nicht direkt zu ihr?
Was zum Teufel wollte er?
Auf dem Computer war die Startmusik zu hören, sie ging ins Internet und tippte »Stalking« ein. Es musste noch andere geben, die davon betroffen waren und es bezwungen hatten. Doch die Suchergebnisse machten ihr nur wenig Hoffnung. Über zwanzig Prozent der australischen Bevölkerung wurde gestalkt, die meisten Opfer kannten ihren Stalker, manche zogen weg oder wechselten die Identität, um das Problem auf legitime Weise zu lösen.
Sollte sie das Wenige verlassen, was ihr geblieben war? Könnte sie das? Die Karte, die Cameron bekommen hatte, war eine Warnung. Ihr Stalker machte auch vor ihm nicht Halt. Cam war noch ein Kind – er würde einen Sturz aus einem Gebäude oder den Zusammenprall mit einem Wagen nicht überleben. Rettete sie sein Leben, wenn sie wegging?
Konnte sie ohne Cameron leben? Wollte sie das überhaupt? Sie konnte ihn nicht mitnehmen. Das würde sie nicht tun. Thomas war ein beschissener Ehemann gewesen, aber er war Camerons Vater.
Und da war noch ihr eigener Vater. Sie konnte nicht einfach gehen, solange er noch am Leben war, ihn im Angesicht des Todes im Stich lassen. Ich habe meiner Tochter nicht beigebracht, das Handtuch zu werfen. Sie lächelte ein wenig bei dem Gedanken, was er sagen würde. Der Vortrag von Tony Wallace darüber, wie man seinen Mann stand: Gib niemals auf, mache niemals einen Rückzieher, kehr keinem den Rücken zu, sonst wirst du rücklings überfallen, Mädchen .
Konnte sie mit der Schmach leben, dass sie ihn
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