Ich kenne dein Geheimnis
sofort an die Arbeit«, sagte Bonadeo erleichtert.
Smeralda hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Dann hatte sie sich entschieden. Sie würde das Risiko eingehen. Was hatte
sie noch zu verlieren? Außerdem war diese Frau die Einzige, die das Recht hatte, die ganze Wahrheit zu erfahren. Um neun bat
sie Raquel um einen Espresso und fuhr den Computer hoch. Sie hatte feuchte Hände, wiederholt tippte sie die Adresse des Online-Telefonbuchs
falsch ein. Dann wartete sie, bis die Telefonnummer angezeigt wurde, die erste in der Liste. Während sie die Nummer auf ein
Stück Papier schrieb, fühlte sie, wie es in ihrer Brust eng wurde, ihr Mut schwand. Sie dachte an die Geschehnisse der letzten
Tage. Ihr Geheimnis war kein Geheimnis mehr, Chiara Bonelli sei Dank. Außerdem wurde sie den Verdacht nicht los, sich unbewusst
Ispettore Bonadeo anvertraut zu haben. Also, was hatte sie noch zu verlieren? Sie zog den Zettel aus der Tasche und griff
nach dem Telefon.
Die Leitung war frei und nach einigen Sekunden ertönte Walzermusik. Smeralda atmete tief durch.
»Sannazzaro, Buongiorno. Sie sprechen mit Monica. Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine freundliche Stimme.
Smeralda zögerte.
»Hallo? Sind Sie noch dran?«
»Ja. Ich möchte Baronessa Sannazzaro d’Altino sprechen«, brachte Smeralda schließlich heraus.
»Einen Augenblick bitte. Ich verbinde Sie mit ihrem Sekretär.«
Während Smeralda wartete, glaubte sie das Blut in ihren Ohren rauschen zu hören.
|333| »Bruno Velati.«
Smeralda nannte ihren Namen und bat, mit der Baronessa sprechen zu dürfen.
»Es tut mir leid, aber die Baronessa ist sehr beschäftigt. Rufen Sie bitte in den nächsten Tagen noch einmal an. Danke, auf
Wiederhören.« Smeralda lauschte reglos dem »Tut-tut-tut« aus dem Telefonhörer. Dann nahm sie einen Bogen Briefpapier aus der
Schreibtischschublade. In elegant geschwungenen Zahlen schrieb sie oben rechts das Datum. Dann stockte sie, zerknüllte das
Blatt und warf es in den Papierkorb. Sie hatte Angst, dass auch andere den Brief lesen könnten, nicht nur die Baronin. Der
über all die Jahre aufgestaute Schmerz traf sie plötzlich wie ein Peitschenhieb. Sie begann zu weinen. Aber dieses Mal lag
nicht nur Verzweiflung in ihren Tränen, sondern auch Hoffnung: Welche Großmutter würde nicht Himmel und Hölle in Bewegung
setzen, um ihre Enkel in die Arme zu schließen, von deren Existenz sie nichts gewusst hatte?
Vivy Sannazzaros veilchenblauen Augen schweiften besorgt über den Schreibtisch. Alles in Ordnung. Auf der Tischplatte lagen
die aktualisierte Gästeliste und der Entwurf der Website der Stiftung. Vivy warf einen flüchtigen Blick darauf. Sie hatte
bereits entschieden, alles Cesco zu überlassen.
»Baronessa, entschuldigen Sie …«, Bruno Velati stand mit der Post in der Hand auf der Türschwelle.
»Komm rein, Bruno«, Vivy fiel auf, dass alle Umschläge geöffnet waren. Sie hatte Bruno und Mario die Erlaubnis erteilt, die
Briefe und Päckchen zu öffnen, die nicht persönlich an sie, sondern an die Firma adressiert waren.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie ängstlich.
»Alles bestens, machen Sie sich keine Sorgen.« Velati legte die Post auf den Schreibtisch. »Sie ahnen gar nicht, wie viele |334| Menschen Ihnen schreiben und zur Party eingeladen werden möchten. Journalisten, Schauspieler, Sänger, Designer, Politiker.
Ihre Feier ist wirklich das Topevent des Jahres. Monica und ich werden noch verrückt mit all dieser Post, von den E-Mails
ganz zu schweigen …«
»O bitte, du weißt doch, wie sehr ich diesen Computerkram hasse.«
Bruno lächelte und blickte auf den Entwurf der Website auf dem Tisch. »Leider kommen wir heute ohne Computer nicht mehr aus,
Baronessa. Ich habe Ihnen die wichtigsten Briefe herausgesucht. Am besten, schauen Sie die Post mit Cesco durch und entscheiden,
wem Sie antworten wollen und wem nicht. Ich persönlich würde vorschlagen, die Zahl der Gäste streng zu limitieren.«
So wie die Baronessa den Kopf zur Seite gedreht hatte und an die Wand starrte, wusste Bruno Velati, dass sie ihm nicht zuhörte.
»Baronessa?«
»Ja?« Vivy zuckte zusammen. »Ich schaue alles durch, mach dir keine Sorgen«, sagte sie fahrig und schlang die Arme um ihren
Körper, als wäre ihr kalt. »Anrufe?«
»O ja, das Telefon steht nicht still. Ich denke nicht, dass etwas Wichtiges dabei war. Gestern hat diese Schauspielerin angerufen,
über die im Moment alle
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