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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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hatte, mit mir über Chloe zu reden, und ich die Karten fallen ließ. Zweitens an das Finale in The Crystal Maze , in dem die Spieler »Scheine« aus Gold- und Silberfolie fangen müssen, die unter einer gigantischen Plastikkuppel durch die Luft geblasen werden. Die machen es für eine Belohnung.
    »Ich habe dich gebeten, ihn nicht zu ermutigen«, sagte sie. Ihre Stimme war heiser, und jedes Wort verschmolz mit dem nächsten, wie bei einer leiernden Videokassette oder in einem Traum: Sie war betrunken.
    »Das habe ich auch nicht getan«, erwiderte ich.
    Sie kniete sich auf den Teppich und fing an, die Papiere einzusammeln – die getippten Seiten und die herausgerissenen aus seinen Schnipselbüchern. Sie war ungeschickt, stieß mit dem Ellenbogen gegen den Beistelltisch und fluchte, als die Fernbedienungen auf sie herunterregneten.
    »Das hat er nicht alles selbst getippt. Das warst du. Du hast es ihm weggenommen, abgetippt und zurückgegeben. Du hast ihm gesagt, dass er eine Chance hat, dass er clever ist, dass diese verdammten Meeresbiologen beeindruckt sein werden von ihm.« Sie stolperte über »Meeresbiologen« und verhaspelte sich, und ich lachte nicht.
    Eins der Blätter war neben meinem Fuß gelandet. Sie grapschte danach. Eine perfekte Zeichnung mit Bleistift und Tinte von einem Tiefsee-U-Boot im Querschnitt. Kopiert aus einem Wissenschaftsbuch, das ich in einem Wohltätigkeitsladen entdeckt und ihm mitgebracht hatte.
    »Ich habe nicht … «
    »Ich will es nicht hören, Laura. Was hat er dir versprochen? Hat er dir Geld gegeben? Oder gesagt, er würde deinen Namen über seinen ersten Artikel setzen? Dich erwähnen im New Scientist ? «
    Sie hob den Kopf zu mir. Sie weinte nicht. Ohne Wimperntusche sahen ihre Augen nackt und merkwürdig aus.
    »Die Hälfte davon kenne ich gar nicht … «
    »Sprich jetzt nicht. Sag nichts.« Sie kniete auf dem Teppich, wobei ihr Nachthemd sich in ihren Kniekehlen raffte. »Ich kenne dich. Du träumst im Bad vor dich hin. Starrst in den Spiegel. Du hast gedacht, wenn er gewinnt, landet dein Gesicht auf einer Titelseite, nicht wahr?«
    Das Licht aus der Küche fiel auf ihre Waden, und ich konnte die lila-blauen Krampfadern sehen und die verfärbte Haut, die sie unter »American Tan«-Nylonkniestrümpfen zu verstecken versuchte und die sie im Bad mit Sonnenblumenöl massierte. Sie legte die Fernbedienungen auf Donalds Beistelltisch zurück, sortierte sie und platzierte sie genau in die Abdrücke, die sie im Staub hinterlassen hatten.
    »Ich helfe dir«, sagte ich und stand auf.
    »Geh mir einfach aus den Augen.«
    Ich ging langsam hoch zu Donalds Zimmer, weil ich nicht alleine sein wollte. Nicht schlafen gehen wollte. Wir hatten beide Albträume, aber Barbara durfte sie mit einer Flasche Gordon’s herunterspülen, und ich nicht.
    Die Treppe war dunkel. Die Tür zu seinem Arbeitszimmer knarrte nicht unheilvoll. Da war keine besondere Atmosphäre. Kein tröstendes Gefühl von Anwesenheit oder eine plötzliche Fülle glücklicher Erinnerungen. Es war eine leere, halb geräumte Rumpelkammer, die einem Toten gehörte. Der Tisch war leer, der Kram in drei Kartons gefegt auf dem Boden direkt davor. Die Schubladen waren alle offen, und ihr Inhalt war durchwühlt und durcheinander. Sie hatte seine Decke weggetan und angefangen, die Bilder von der Wand zu nehmen. Der Raum stank nach Qualm und ihrem Parfüm. Ein Stapel Bücher und Papiere lag auf dem Boden vor dem Sessel. Sie hatte darin gesessen und gelesen. Ich setzte mich auch und schnappte mir das oberste Schnipselbuch von dem Stapel.
    Es enthielt viele eingeklebte Papierseiten, die ich für ihn getippt und ausgedruckt hatte. Entwürfe von seiner Bewerbung für das Sea-Eye -Programm. Experimente, die er hätte durchführen können, hätte er nur das Geld für die Ausrüstung gehabt. Lange, ausschweifende Argumentationen für eine Finanzierung, für Unterstützung, für Rat. Theorien über Lichter unter Wasser, die irgendwie zusammenhingen mit dem Atomkraftwerk im Hafen von Heysham.
    Ich blätterte die Seiten um, die steif waren und süßlich nach Mehlkleister rochen, und las weiter. Ich fing an, zu begreifen.
    Er hatte eine Idee gehabt. Laut einem seiner Tagebücher war ihm die Idee bei einem Spaziergang am Strand von Morecambe gekommen: Entweder er hatte etwas dort draußen in dem flachen grauen Wasser gesehen, das eine Gedankenlawine auslöste, oder die langweilige Wanderung über den gesichtslosen, schlammigen Sand hatte ihn zu

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