Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
ausgehen, das war immer so gewesen. Und tatsächlich. Täuschte sie sich, oder wurde es heller? Ja, die Sicht wurde ein wenig besser. Die Front zog allmählich über sie hinweg, ließ sie mit Regen und Wellen zurück.
»Au, verdammt!«
Schemenhaft tauchte vor ihnen das Ufer auf. Wo auch immer der Sturm sie hingetrieben hatte, sie waren zu nah an Land.
»Spring an!«, schrie Niklas.
»Bitte«, setzte Liane nach, und mit einem leisen Vibrieren sprang der Motor an.
»Gut gemacht!«, rief Niklas.
»Danke!«, murmelte Liane.
Sie waren an einer Hafenmauer, der Hafenmauer von Meersburg.
Hier war die Steilwand, hier ging es unendlich tief nach unten in die Finsternis. Hier waren die Hobbytaucher zugange, und hier wollte sie ganz sicher nicht baden gehen.
Aber so schnell das Unwetter gekommen war, so schnell war es wieder vorbei. Die Wellen schlugen noch hoch, und der Himmel war verhangen, doch als sie über den See in Richtung Kreuzlingen zurückfuhren, stimmte Niklas ein Lied an, und alle fielen ein: »What shall we do with the drunken sailor, what shall we do with the drunken sailor, what shall we do with the drunken sailor, early in the morning.«
Abends rief Marius an. Liane hatte ein heißes Bad genommen und sich danach mit einem Buch auf die Couch gelegt. Draußen regnete es jetzt in feinen Schnüren, die Gassen waren wie leer gefegt, und nur von der benachbarten Weinkneipe drangen verhalten Stimmen zu ihr herauf. Es war das Wetter für einen gemütlichen Sonntagabend.
»Und?«, wollte Marius wissen. »Geht bei dir schon was?«
»Ja, ziemlich viel«, antwortete Liane und setzte sich auf. »Aber nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt habe!«
Er lachte. »Komm, lass uns skypen, ich muss dir was zeigen!«
Liane holte ihren Laptop, setzte sich an den Esstisch und wählte Marius an. Wollte er ihr seine neueste Eroberung zeigen, fein ausgestreckt auf dem Esstisch, mit spanischen Entradas bedeckt?
»Hast du etwa dein fürchterliches Hauskleid an?«, war seine erste Frage. »So wird das nie was mit einer heißen neuen Liebe!«
Liane fühlte sich kurz ertappt, obwohl ihn das ja gar nichts anging.
»Es gibt auch Männer, die mich in diesem Kleid lieben. Die finden das sexy!«
»So? So einen musst du mir zeigen!«
Wie schade, dass sie jetzt keinen gut aussehenden Jüngling aus dem Hut zaubern konnte. »Okay, ich habe dir jetzt mein allerschönstes Hauskleid gezeigt, was willst du mir zeigen?«
Er sah wieder richtig gut aus. Entspannt und fröhlich, sonnengebräunt mit blitzenden Augen.
»Die Hütte hier. Haben wir zu viert für einen Appel und ein Ei gemietet, da fällst du vom Glauben ab!« Und er drehte die Kamera von sich weg und begann mit dem Laptop durchs Haus zu laufen. Von der Veranda am nierenförmigen, tiefblauen Swimmingpool mit diversen Liegemöglichkeiten entlang, kleiner Schwenk den Hügel hinunter aufs Meer, dann weiter in ein Wohnzimmer mit mannshohem Kamin, weißer Couchausstattung, erlesenen modernen Bildern an hohen weißen Wänden, von dort aus durch ein überdimensionales Badezimmer mit allerlei Wasserspielen und Wellnessmöglichkeiten, schwarz-weiß gefliest, weiter durch verschiedene Schlafzimmer, jeweils mit Bädern und Ankleidezimmern, schließlich zurück zur Terrasse. Dort kam er selbst wieder ins Bild. »Was sagst du?«
Liane schüttelte ungläubig den Kopf. »Irre! Und das soll ein Ferienhaus sein?«
»Jan hat es organisiert. Ein Motorboot gehört auch dazu.«
»Die perfekte Mädchenfalle!«
Marius grinste. »Ja, das scheint hier nicht besonders schwer zu sein. Hier sind alle auf Abenteuer aus, vierzehn Tage andere Welt, weg von zu Hause, Gas geben.«
Liane spürte ein leichtes Grummeln im Bauch. Aber nein, so hatte sie es ja gewollt.
»Und du?«, wollte Marius wissen. »Du weißt, die Abmachung ist, dass wir uns alles erzählen!«
»Ich habe heute mit vier Jungs eine Abenteuertour gemacht.«
»Oh!« Jetzt veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Eine Mischung aus Erstaunen und Frage. »Gleich vier?«
»Ja, vier Schweizer und ich auf einem Segelboot. Nicht wirklich eine Rennjacht, aber ein bisschen schon. Und Gott sei Dank sturmtauglich. Wir sind nämlich geradewegs in ein Unwetter gesegelt.«
»Dass dir so was passiert, als Seekind?«
»Ich hab’s kommen sehen, aber es war dann doch heftiger als gedacht.«
»Dich kann man ja nicht allein lassen!« Er runzelte die Stirn. »Und was sind das für vier Deppen, die so was machen?«
»An sich erfahrene
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