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Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Titel: Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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versprechen in Bildern Gesundheit, Schlankheit und weiße Zähne, versprühen Duftaromen, bei denen Matti sich selig nach Omas Apfelkuchen sehnt, und säuseln Musik durch den Laden, damit der Verbraucher, der zwar nicht König ist, sich aber so fühlen soll, das Hirn ausschaltet und mit dem Bauch kauft.
    Wir sind umgeben von »LEBENSMITTELPORNOS«
    Die Industrie verkauft Dickmacher als Gesundmacher.
    Die Botschaft: Friss dich gesund. Das Ergebnis: Je mehr wir essen, desto besser geht’s der Industrie.
    »Das ist so schön einfach«, findet Matti: Die Obst-Gemüse-Frischezone, die zu Hause das lästige Selberschnippeln verlangt, betrachtet er seitdem als geschlossene Abteilung. Was dort knackig im Original zu haben ist, gibt’s ein paar Regale weiter noch mal im praktischen Weichformat. Frisch gezuckert, mit Farbstoff gepimpt, in Dosen abgefüllt, plattgepresst oder durchgekocht, bis das letzte Leben raus ist – aber dafür fast eine Ewigkeit haltbar. Da gibt’s die Gesundheit sogar mit Mengenrabatt und auf Vorrat.
     
    Deshalb nimmt Matti neben der Kühltheke doch gleich die ganze Palette mit sechzehn Bechern Erdbeer-Himbeer-Joghurt, der so gut konserviert ist, dass er zu Hause ohne Kühlung ein paar Wochen durchhält. Die Erdbeeren, die auf der Verpackung noch rund und knackig waren, entpuppen sich nach dem Öffnen als marmeladenähnlicher Farbklecks auf Joghurtgrund. Ein bisschen simpel erscheint Matti das durchaus,
doch Erdbeere ist nun mal Erdbeere und Joghurt ist ja bekanntlich gesund – und so genau will man das ja auch gar nicht wissen.
    Außerdem kann er eventuelle kleine Sünden wieder ausgleichen. Zum Beispiel beim Bier. »Das geht runter wie Medizin«, findet Matti, nachdem er sich im Internet schlau gemacht hat. Da preisen die Brauer ihren Gerstensaft an wie Kurkliniken ihre Rundum-Gesund-Wochen. Ein Bierchen in Ehren beugt nämlich angeblich vor – gegen Demenz, Altersdiabetes, Osteoporose, Herzinfarkt und Krebs. Sogar in der Stillzeit sollen phantastische Kohlenhydrate, Mineralstoffe und Vitamine junge Mütter ideal mit Nährstoffen versorgen. »Donnerwetter«, staunt Matti. »Dann kann es mir ja wohl erst recht nicht schaden.«
    GLAUBENSIE NICHT, DASS ...
    ... Süßes süß macht. Das klappt nur mit dem Blut eines Diabetikers.
    ... man vom Chipsessen knackig wird, nur weil Chips beim Kauen knacken.
    ... Produkte mit Konservierungsstoffen jünger machen.
    Bisher hat er sich immer ein bisschen geschämt, wenn er sich mal wieder ein Fläschchen aus dem Kasten geholt hat. Oder zwei. Oder drei. Aber jetzt sieht er das anders. Und seine Anders-Sicht ist auch wissenschaftlich fundiert, na klar. Die Bierbrauer haben zahlreiche Studien ausgebuddelt, die belegen, dass Bier einfach alles und jeden kuriert.
    Matti müsste schon misstrauisch genauer nachlesen, um auf das Kleingedruckte zu stoßen. Irgendwo zwingt der Gesetzgeber die Lobbyisten nämlich immer zu verraten, dass das mit dem Stillen zwar als alte Hebammen-Weisheit gilt, die stillende Mutter aber dennoch besser zur alkoholfreien Variante greifen sollte …
    … und dass der ganze Bier-Segen sich nur voll entfaltet, wenn man die Sache mit dem maßvollen Genuss ganz genau verstanden hat. Was aber ist »maßvoller Genuss«? Die Antwort auf diese Frage steckt verschlüsselt in den Worten »zu viel« oder »ein Glas zum falschen Zeitpunkt«. Denn dann können schon kleine Mengen schaden. Und wann
ist der falsche Zeitpunkt? Beim Autofahren, Arbeiten, Krank-, Kind-, Jugendlich- oder Schwangersein sollte man’s doch besser lassen, lehren die Lobbyisten.
    »Brav! Ein Pilsken jeht immer, wa?«
    »Prima«, denkt Matti. Er ist erwachsen, nicht schwanger, arbeitet gerade nicht und fährt auch nicht Auto. Also Prost auf die Gesundheit! Der Schweinehund gibt wissenschaftlich untermauert grünes Licht. Das tut gut. Endlich hat er eine Entscheidung getroffen, was gar nicht so einfach war.
    Der Traum von der Riesenauswahl an Gurken, Rucola, Pilzen, Pinienkernen, Sprossen und Tomaten wird nämlich schnell zum Alptraum: »Welche Soße passt dazu? Wo finde ich die? Was nehme ich sonst noch? Und wie lang ist die Schlange an der Theke? Weiß ich überhaupt noch, was ich will, wenn ich endlich dran bin? Vor allem, wenn der Duft einer gebratenen Currywurst klare Gedanken vernebelt?«
    Je mehr Angebote Matti verwirren, desto weniger schafft er. Dabei ging es ihm doch so gut, als er sich fürs Bier entschieden hatte. Doch seine Euphorie ist schnell verflogen: »Das ist ja

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