Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
die totale Verzettelung! Wenn dieses blöde Gefühl nicht bald vorüberzieht, kapituliere ich!« – Die Currywurst wird über den Salat triumphieren.
Es ist nicht ganz einfach, sich auch noch wohl zu fühlen, wenn man alles richtig machen will und dann unsicher wird. Zu viele Gedanken führen bei Matti automatisch zu schlechter Laune, weil er nicht weiter weiß – und zwar in jeder Abteilung wieder: »Muss ich jetzt die Biobutter nehmen? Oder besser die „Cholesterin senken schon beim Frühstück“-Margarine?«
Und wieder kommt Rettung im rechten Moment: Ein Glückspilz, Typ erfolgreicher Lebenskünstler, sitzt in den Dünen, blickt allwissend aufs weite Meer hinaus und hält sich nicht mit kleinlichen Margarine-Problemen auf. Problemzonen hat der Kerl auf dem Werbeplakat sowieso nicht. Er ist ein Erfolgstyp und nimmt sich, wonach ihm gerade gelüstet. Er hat alles im Griff. Auch die Schokolade, in die er gerade genüsslich beißt. – Wie der Zufall will, liegt die Palette mit eben jener Marke genau unter dem Plakat. Da muss Matti nur zugreifen, und seine Stimmung hellt sich auf.
Schlechtes Gewissen? – Wird ausradiert: Der Schoko-Hersteller hat für Problemfälle nämlich auch braune Diätquadrate im Angebot. Da sind Zuckeraustauschstoffe drin. Also kein ungesunder Zucker? Prima. Und … lebende Joghurtkulturen? – Matti ist nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht ist. Aber »lebend« hört sich irgendwie sympathischer an als »tot«. Und Joghurt ist ja sowieso gesund, den dürfen sogar Diabetiker. Da nimmt Matti doch gleich ein paar mehr mit. Es geht ihm wieder gut. Jetzt reicht es aber auch mal mit dem Einkaufen. Matti schiebt seinen Wagen zielstrebig zur Kasse: »Bloß nicht wieder verzetteln!«
Kurz vor Schluss dreht er noch mal um, denn er hat etwas Wichtiges vergessen. Nachdem schon alles Erdenkliche für Schönheit, Fitness, Muckis, Haut, Haare, Wellness, Zukunft und langes Leben im Kasten ist, fällt ihm auf, dass er doch tatsächlich bisher nicht daran gedacht hat, für das eigene Vergnügen aufzurüsten. Dafür braucht er seinen Spickzettel.
Das Fachorgan »Männergesundheit« empfiehlt in solchen Fällen Papaya (sieht meist matschig aus, gilt aber als Lustankurbler), Bananen (bewahren die Leistungskurve vorm vorzeitigen Abschlaffen), Mangos (geben Nachhilfe, wenn ein Baby her soll) und Staudensellerie (enthält Verwandte von männlichen Hormonen, die angeblich wie Lockstoff wirken). Matti entscheidet sich für das Komplettpaket: »Wenn schon, denn schon!«
Eine Frau guckt komisch. Ob man seinem Wagen ansieht, was er vorhat? Es soll ja Leute geben, die aus dem Einkaufskorb auf die Persönlichkeit schließen und Problemverhalten herauslesen.
Zum Glück ist Matti nicht der einzige Problemkunde im Supermarkt. Da sind noch ein paar andere um ihn herum, die der Öffentlichkeit ihre soziale Situation unaufgefordert mitteilen:
Der Single treibt sich meist beim Fertigfutter oder beim Alkohol herum und guckt mehr auf die anderen als auf die Regale: »Was gibt der Markt so her? Würde die Blonde an der Käsetheke zu mir passen?« – »Kauft der Kahle die Pizza Margherita, weil er kleine Schweine lieb hat? Und was will die Familienpackung Klopapier in seinem Wagen mir sagen?« – Grundsätzlich braucht der Single nicht viel. Er ist ja statusbedingt auf eine gute Figur bedacht und legt selten Vorräte an. Jeder Gang hält ihn schlank und eröffnet gegebenenfalls neue Möglichkeiten. Und sollte sich im Supermarkt nichts ergeben, rüstet der Single für die Balz: Chips, Alkohol und Red Bull, um abends auf der Party lange genug durchzuhalten, bis die letzten Abgefüllten sich nicht mehr gegen Anmachsprüche wehren können.
Frischverliebte kaufen Erdbeeren als dekoratives Liebessymbol, Sekt für den Bauchnabel, alles, was irgendwie herzförmig ist: »Guck mal, Schatz, diese Herzkartoffel habe ich entdeckt, als ich gerade an dich dachte. Das muss ein Zeichen sein.« – Ansonsten brauchen die Frischverliebten, ähnlich wie der Single, nicht viel. Die Figur muss halten. Man lebt von Luft und Liebe, bis zwei Haushalte zusammenwachsen. Danach wird das altbekannte Dosenfutter auch mal mit frischem Obst und Gemüse vermischt. Man muss ja seine gesunde Seite zeigen, um zukunftstauglich daherzukommen.
Die Jung-Eltern schleppen sich übermüdet durch den Markt und kaufen nach dem Motto: »Fürs Baby das Beste, für die Eltern nur Reste.« Dank Biogläschen, Biogemüse, Bioobst, Biomüsli, Biomilch und
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