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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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Werde erwachsen. Du kannst das wieder hinkriegen. Sitzen wir nicht aus genau diesem Grund an einem trüben Dienstagnachmittag um drei Uhr in dieser geschmackvoll eingerichteten Praxis an der Fifth Avenue? Ich hatte mich Dr.   Stafford gegenüber platziert, mitten auf einem orangefarbenen Sofa, das leuchtete wie die Weste eines Rettungssanitäters. Hatte unsere Therapeutin die Farbe ausgewählt, weil sie so belebend war oder als ermunternden Hinweis für ihre Klienten, dass Rettung nahte? Neben mir war ausreichend Platz, doch Barry hatte in einem Sessel Platz genommen, der im rechten Winkel zu ihr und mir stand. Auf dem Tisch zwischen uns stand eine Schachtel mit Papiertaschentüchern. In dieser Praxis wurde anscheinend viel geweint.
    »Also, wir hoffen, dass Sie uns helfen können«, sagte ich, rückte hin und her und versuchte, mich bequemer hinzusetzen. Die Frage, was ich anziehen sollte, hatte mich endlos umgetrieben. Meine Version eines Minirocks und die Stiefeletten mit sieben Zentimetern Absatz? Zu tussimäßig. Jeans oder Cargohosen und ein T-Shirt ? Zu jugendlich. Ich hatte mich schließlich für flache Lederstiefel entschieden, einen schwarzen Kaschmirpullover mit Rollkragen und einen langen schwarzen Rock, auch wenn nur Gott wusste, was Dr.   Stafford in den schräggeschnittenen Saum hineinlesen würde.
    »Und Sie, Dr.   Marx?«, fragte Dr.   Stafford.
    Barry klang gelassen und ruhig, wie gleichmäßige Wellen am Strand. »Es läuft schon seit einer Weile nicht mehr richtig bei uns.«
    Oder noch nie, dachte ich und warf einen Blick auf die Hände unserer Therapeutin. Ein Ehering. Ich sah auf meine eigenen. Ja, immer noch da. Genauso verheiratet wie gestern.
    »Aus welchem Grund, was meinen Sie?«, fragte Dr.   Stafford.
    Sie war nicht die robuste Margaret Thatcher, die ich erwartet hatte. Würde ich auf Dauer mit einer Therapeutin zurechtkommen,die so attraktiv war? Dr.   Stafford war groß und schmal wie ein Brotmesser, wog nicht mehr als 48   Kilo und kultivierte einen Katherine-Hepburn-Stil, elegante weiße Bluse zu grauer Hose.
    Barry setzte sein vertrauenerweckendes Lächeln auf, das er sonst für Patientinnen reservierte. Dieses Lächeln kannte ich nur allzu gut. Die unterschwellige Botschaft lautete: »Sie können sich auf mich verlassen – ich bin die Integrität in Person, ein verdammt guter Chirurg und ein richtig netter Kerl. Ich vermassele nie etwas, weder beim Golf noch bei der Arbeit noch sonst wo.«
    Dr.   Stafford wird
ihn
lieber mögen, dachte ich.
    »Wir haben unser Ehegelübde einfach nicht ernst genug genommen«, sagte Barry im seriösen Tonfall des Rhodes-Stipendiaten, der er ja nur
so knapp
, wie er immer behauptete, nicht geworden war.
    Unser Ehegelübde?
Hatte mein Mann das überhaupt gehört, da er ja schon auf unserem Hochzeitsempfang eine andere Frau im Kopf hatte? Dr.   Stafford sagte   … nichts. Ihr Schweigen war geradezu eine Aufforderung an Barry oder mich, in wohlgesetzten Worten zu erklären, warum ausgerechnet unsere Ehe nicht mustergültig geworden war.
    »Molly, möchten Sie etwas sagen?«, fragte Dr.   Stafford.
    Die Therapiesitzungen kosteten zweihundert Dollar die Stunde. Ich sollte also besser den Mund aufmachen. »Barry hat recht. Wir sind unsere Beziehung vermutlich nicht mit der nötigen   …« Ich suchte nach dem richtigen Wort. Ernsthaftigkeit? Aufrichtigkeit? »…   Gravität angegangen.«
Gravität?
Wie bitte? Wo kam denn das her? Ich konnte mich nicht erinnern, dieses Wort jemals benutzt zu haben.
    »Möchten Sie denn weiterhin verheiratet bleiben mit – darf ich Sie Barry nennen?«, fragte Dr.   Stafford und sah erst Barry und dann wieder mich an. »Das ist eine der Fragen, die ich gern in der ersten Sitzung stelle.«
    Aber warum mussten Sie mich zuerst fragen, dachte ich, obwohlich mir diese Frage in der letzten Zeit selbst mindestens einmal pro Woche stellte. »Ja, das will ich, auf jeden Fall«, sagte ich.
    Ich wollte mich nicht scheiden lassen. Aber hatte diese spontane Antwort mit einem Mangel an Alternativen zu tun – mit oder ohne Luke – oder, ungeachtet aller Konflikte, tatsächlich mit Liebe, wobei Annabel keine kleine Rolle spielte? Eher Letzteres. Meine Tochter sollte nicht leiden. Das klang so mickrig, doch ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Annabel je Leid erfahren sollte, und schon gar nicht, wenn ich die Ursache war und wir – Barry und ich zusammen, als ihre Eltern – etwas tun konnten, um ihr eine

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