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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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unserer Tage glücklich zu leben, mit Hilfe Deines Fünfjahresplans. Okay, Gott, wir sind vielleicht in die falsche Richtung losgerannt, aber dank Dr.   Stafford haben wir ja eine Kurskorrektur vorgenommen. Manche Leute werden mit zwanzig erwachsen   … und der Rest von uns erst um die vierzig, wenn wir Glück haben. Aber stimmt schon, Gott, die Zusammenfassung lautet: Mein Herz war verwirrt.
    Hätte ich mich von Luke fernhalten sollen? Meine Glanzleistung war’s nicht, zugegeben. Aber Gott, Du weißt besser als jeder andere, dass ich Barry nicht verletzen wollte. Können wir uns wenigstens darauf einigen, dass ich nicht grausam sein wollte gegen ihn, auch wenn er nicht der beste aller Ehemänner war? Meine Gefühle für Luke waren echt, und ich weiß, dass Du das weißt. Meine Leidenschaft für Luke war das himmlischste Gefühl, das ich je erlebt habe, gleich nach meiner Liebe für mein Kind und für meine Eltern. Es war ein ganz seltenes, in allen Farben des Regenbogensschillerndes Gefühl – wie LIEBE in Großbuchstaben. Kann das denn schlecht sein?
    Reden wir drüber, Gott. Was hätte ich tun sollen, als Du uns zusammengebracht hast? Luke hat mich zu Luke hingezogen. Ich bin nicht auf ihn zugerannt, weil ich einen anderen Mann in meinem Leben wollte. Warum hast Du das zugelassen? Nicht, dass ich einem anderen als mir selbst die Schuld geben will. Aber Du wusstest, dass ich einem Mann nie widerstehen könnte, der mir so zuhörte wie Luke, der meinen Körper manipulierte wie eine PlayStation 3 und der zufällig aussah und roch und lächelte wie   … na ja, Luke eben. Hast Du ihn etwa auf die Welt kommen und mich durcheinanderbringen lassen, nur um mich zu ärgern?
    Oh, der Augenblick stiller Meditation ist vorüber. Rabbi Strauss Sherman macht weiter.
    »An Rosch ha-Schana wird es bestimmt und an Jom Kippur wird es besiegelt   … wie viele die Erde verlassen und wie viele geboren werden. Wer wird leben und wer wird sterben zur ihm bestimmten Zeit und wer vor seiner Zeit?«
    Mein Herz ist mehr als nur verwirrt – es ist durchlöchert von Fragen, für deren Beantwortung ich nun eine Ewigkeit lang Zeit habe. Ganz oben auf der Liste: Warum habe ich, Molly Divine Marx, vor einem Jahr hier in dieser Synagoge gestanden und genauso inbrünstig für ein weiteres Jahr im Buch des Lebens gebetet wie die Frauen neben und hinter mir und bin doch nicht unter die Auserwählten gekommen? Ja, ich bin genauso schuldig wie jeder andere die Gebote missachtende Sünder in diesem Raum. Okay, ich bin sogar eine lasterhafte Frevlerin. Aber ich kann einfach nicht glauben, dass Du in so simplen Ursache-Wirkungs-Schemata denkst und mich wirklich wegen meiner Untreue in die Ewigkeit geholt hast, zumal Barry und Luke ja immer noch auf Erden wandeln. Und es kann ja wohl nicht sein, dass Du mit zweierlei Maß misst und der Betrug von Frauen schlimmer geahndet wird als der von Männern.
    »Wer wird sterben durch   … Wasser   … Feuer   … Schwert   … Untiere   … Hunger   … Durst   … Sturm   … Seuche   … Erhängen   … Steinigung? Wer wird ruhen und wer wandern, wer wird in Eintracht leben und wer in Zwietracht   … wer wird Freude erleben und wer Leid   … wer wird Armut erfahren und wer Reichtum   … wer wird erniedrigt werden und wer erhöht?«
    Der elegante Herr mit dem Schnurrbart und dem Gehstock aus Elfenbein, der immer in der Bank vor uns sitzt, sieht so durchscheinend aus wie die weißen Lilien in den großen Bodenvasen. Wird er im nächsten Jahr noch hier sein oder zwei Meter unter der Erde? Und diese enorm dicke Mutter aus Annabels Kindergarten – macht es irgendeinen Unterschied, ob sie sich noch eine Familienpackung Häagen-Dazs reinschiebt oder all ihre Hoffnungen auf die Weight Watchers setzt? Wird Kitty es schaffen? Meine Mutter? Haben Menschen, die ins Buch des Lebens aufgenommen werden, sich wirklich durch Verdienste und tiefempfundene Reue ausgezeichnet, oder kommen sie durch eine himmlische Lotterie, bei der Du die Lose ziehst, in die engere Wahl?
    Barry vermutet Ersteres. Die Zukunft bereitet ihm mehr Sorgen als die Vergangenheit.
    »Meinst du, dass es ihm aufrichtig leidtut?«, frage ich Bob.
    »Ja«, sagt er. Ich würd’s ja gern glauben. Okay, ich arbeite daran. Bob ist kein Zyniker. Ich schon.
    »Er wünscht, es wäre alles anders gekommen«, sagt Bob. »Hör ihm zu.«
    Durch die bunten Glasscheiben fällt diffus das Licht des frühen Nachmittags und taucht die in stumme Bitten

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