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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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hatte. »Oder hat Dr.   Marx etwas dagegen?« Sein Ton war abfällig geworden.
    »Barry ist alles recht, was ich tue«, erwiderte ich und klang genauso defensiv, wie ich mich fühlte. »Aber wo sollte ich arbeiten?«
    Spielerisch fuhr er mit dem Finger am Rand seines Weinglases entlang. »Bei mir, zum Beispiel.«
    Ich stellte mir vor, wie dieser Finger mein Bein berührte – und noch anderes, und schüttelte den Kopf, um das Bild zu verscheuchen.
    »Hey, warum sagst du gleich nein, ohne Genaueres zu wissen?«, fragte er. Ich war ziemlich sicher, dass ich da Enttäuschung heraushörte.
    »Ich sage gar nicht nein. Ich sage erst mal gar nichts, denn was genau schlägst du mir vor?«
    »Es ist kein Vollzeitjob, aber im Moment kommen gerade einige Aufträge herein«, sagte er und klopfte zweimal auf den Küchentisch, der aus Holz war. »Ich habe mit einigen Freien zusammengearbeitet, von denen einer lascher war als der andere. Entweder wollen sie ihren faulen Hintern nicht bewegen, oder sie haben null Phantasie. Und die wirklich Guten werden mir oft von meinen Konkurrenten weggeschnappt, oder sie verlangen so hohe Honorare, dass ich sie mir nicht leisten kann.«
    Jetzt war es mal an mir, nur gelegentlich ein »Hmmm« von mir zu geben.
    »Ich kann weder Sozialleistungen zahlen noch sagen, wie lange es so gehen wird – du weißt ja selbst, wie das ist«, fuhr er fort. »Die Chefredakteure haben irgendwann vielleicht genug von meinen Fotos und geben mir keine Aufträge mehr.« Keiner von uns erwähnte, dass Luke seinen Erfolg nicht zuletzt gerade diesem Wankelmut der Chefredakteure zu verdanken hatte. Er war genau zu dem Zeitpunkt zur Stelle gewesen, als alle nach einem neuen Gesicht und einem neuen Stil lechzten. »Molly, du weißt genau, wie gut wir zusammenarbeiten – du bist die andere Hälfte meines Hirns.«
    Dem konnte ich schlecht widersprechen. Luke war ein erstaunliches Talent, zwei Drittel der Hochglanzfotos in meinem Portfolio stammten von unseren gemeinsamen Shootings.
    »Und du tätest mir außerdem einen Gefallen – nicht, dass du mir was schuldest   …« Er sah mir direkt in die Augen, es war vertraut und beunruhigend zugleich.
    War das eine Anmache?
Bilde dir nichts ein, Molly,
sagte ich mir entschlossen.
Hier geht’s ums Geschäft. Nichts weiter. Und es ist nicht nur das beste Angebot, das du in der letzten Zeit bekommen
hast, es ist auch das einzige, mal abgesehen von einem Job in einer Vorstadt, den ich nur mit einem Pendelzug erreicht hätte und dessen größte Attraktion die Nähe des Büros zu einer Eisdiele gewesen wäre.
    »Und es würde Spaß machen«, fügte er hinzu.
    »Spaß, hm?« Interessantes Geschäftskonzept.
    Ich versuchte noch, Lukes Angebot zu verdauen, als ich Annabel hörte. Normalerweise rannte ich nicht sofort los, um mein Kind aus dem Bett zu holen – ich lauschte gern eine Zeitlang auf ihr Gebrabbel und versuchte, es zu verstehen. Doch jetzt war es schon fast zwei Uhr, und ich wollte mich ein wenig wichtigmachen. »Hörst du?«, sagte ich. »Entschuldige bitte einen Moment.«
    Mit meiner pausbäckigen Tochter auf dem Arm kam ich zurück. Nach sieben Monaten war Annabels Haar jetzt blond, und ihre Haut fühlte sich so samtig an wie Petunien. Ich hatte ihr ein lilagestreiftes Kleid angezogen, das zur Farbe von Lukes Pullover passte. Mir schwoll vor Stolz die Brust, als ich ihm mein Baby zeigte.
    Luke betrachtete sie mit dem Blick des Fotografen. Ich hatte ihn zuletzt einen Monat vor Annabels Geburt gesehen, kannte ihn aber gut genug, um zu erkennen, dass sie ihm gefiel. »Freut mich sehr, Miss Annabel«, sagte er und schüttelte einen ihrer pummeligen kleinen Finger. Sie lächelte, zeigte dabei ihre drei frisch durchgestoßenen Zähnchen und strampelte mit den Beinen wie ein Baby-Ninja.
    »Ich hole nur schnell ihre Schnabeltasse, passt du einen Moment auf sie auf?«, fragte ich, während ich Annabel in ihren Kinderstuhl setzte. Erst kürzlich hatte sie aus der Tasse zu trinken gelernt, und ich hätte nicht stolzer sein können, wenn sie plötzlich italienische Vokabeln aufgesagt hätte. Als ich wieder ins Esszimmer kam, spielte Luke mit ihr »Kuckuck« wie ein Profi, und Annabel quietschte vor Freude. Ja, genau diese Wirkung hatte er auf Frauen.
    »Vergiss ihr Geschenk nicht«, sagte er und reichte mir den Karton. Ich öffnete ihn langsam und methodisch, eine Angewohnheit,die Lucy – die alles sofort aufriss – immer schier in den Wahnsinn trieb. »Entweder das oder die

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