Ich muss dir etwas sagen
eines der erstaunlichsten Resultate meiner Forschungen in diesem Bereich. Deshalb kommt den
meisten auch kaum der Gedanke, unser Gegenüber könne so
empfinden; und daher machen sie leicht den Fehler, mit anderen Menschen über Angelegenheiten zu reden, die der Betreffende als erster hören sollte - er hat ein Recht darauf.
Aaron und David
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Diese Geschichte ist schon fast ein Klischee, wiewohl sie mir persönlich erzählt wurde. Ein Vater baut ein erfolgreiches Unternehmen auf. Er hat zwei Söhne, beides gute Jungen. Aber der eine, in diesem Fall Aaron, ist verantwortungsvoll und ehrgeizig. Der andere, David, will einfach nur seinen Spaß haben. Der Vater, hin- und hergerissen zwischen Hoffnung,
Liebe und Realismus, ordnet seine Angelegenheiten so, daß
Aaron das Geschäft kontrolliert und David einen Anteil daran hat. Den Rest des Familienbesitzes verteilt er so gerecht wie möglich, sofern es Aarons Funktion nicht untergräbt - ein faires und weises Testament.
Aber zehn Jahre nach dem Tod des Vaters will Aaron die
Dinge ändern. David ist seiner sowieso schon begrenzten Rolle in der Firma nicht gerecht geworden, und sie scheint ihn auch nicht zu interessieren, ihn im Gegenteil zu nerven. Aaron sucht also nach einem Weg, wie er - grob gesagt - sich von David loskaufen kann. Aaron hätte genügend Geld, das zu tun, und David wäre sicher glücklich, sich auszahlen zu lassen. So schien die Sache fair und freundlich über die Bühne gehen zu können.
Es ist allerdings erniedrigend, vom eigenen Bruder die Tür gewiesen zu bekommen. Darum suchte Aaron auch nach einem
Weg, wie er es David schonend beibringen konnte. Und so
machte er den Fehler, mit einer ganzen Reihe von Leuten
darüber zu reden und ihren Rat einzuholen. Er sprach mit einem Neffen, einem alten Freund seines Vaters, mit dem
Familienanwalt, dem Steuerberater, seinem Tennispartner und vielen anderen.
Er wollte nur das Beste für alle Beteiligten. Wie ein junger Chirurg, der seine erste Operation plant, wollte Aaron jede Hilfe in Anspruch nehmen, die er bekommen konnte, um die Sache so effektiv und schmerzlos wie möglich über die Bühne zu bringen.
Und dann platzte die Bombe. An ein und demselben
Wochenende riefen drei Leute David an und meinten mehr oder weniger deutlich: „Weißt du, dein Bruder hat wirklich gute
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Absichten und tut sein Bestes, aber er macht sich Sorgen
darüber, wie du es aufnehmen wirst.”
Die Explosion
David fühlte sich gedemütigt, nicht nur, weil sein Bruder ihn aus dem Geschäft entfernen wollte, und das in aller
Öffentlichkeit, sondern weil er ihm offensichtlich auch
unterstellte, er käme mit dieser Entscheidung nicht klar. Als David seinen Bruder am darauffolgenden Montag darauf
ansprach, sagte Aaron: „Warum regt es dich so auf, daß die Leute Bescheid wissen? Okay, alle wissen es. Es war das beste so, und es war eine delikate Angelegenheit, die ich unbedingt richtig machen wollte.”
Diese Worte zerstörten alles, und ihre Beziehung war ein
Scherbenhaufen. Was David höchstwahrscheinlich als ein faires Angebot gesehen hätte, das durchaus in seinem Sinne war,
erschien ihm jetzt wie ein hinterlistiges Manöver, um ihn aus seinem Erbe zu drängen.
David reagierte so, weil er sich mißbraucht fühlte, und so fühlt sich wohl jeder, dem man eine unangenehme Wahrheit als
letzter erzählt, wenn alle anderen schon informiert sind.
Bedenken Sie bitte, daß Sie diesen Fehler auf mannigfaltige Art und Weise machen können. Aarons Fehler liegt auf der
Hand: Er bat andere Leute um Rat, wie er seine Wahrheit am besten erzählen sollte. Aber auch, die Wahrheit mit jemandem durchzugehen, um die vermutliche Reaktion zu testen, bevor Sie es der eigentlichen Person erzählen, gehört dazu. Die
schlimmste Art ist wohl, anderen Leuten die Wahrheit zu
erzählen, in der Hoffnung, daß einer von ihnen damit
herausplatzt, so daß man sich die Zeit und Mühe sparen kann, es dem Betreffenden selber zu sagen.
Wie man diesen Fehler vermeidet
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Ich will damit nicht behaupten, daß Sie sich niemals mit jemandem beraten sollten, wenn Sie einer bestimmten Person etwas sagen müssen, das Ihnen schwerfällt. Ich glaube sehr an den Wert weisen Rates. Es geht darum, welche Ratgeber man
nutzt und wie man den Fehler vermeidet, daß der Betreffende die Wahrheit als letzter erfährt.
Ganz einfach: Wenn Sie sich mit jemandem beraten wollen,
sollten Sie es mit dem weisesten Menschen tun, den Sie
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