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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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dem vielen Rumgerenne, nach den vielen verzerrten Stimmen, den verkleideten Gestalten, unbekannten Fingerabdrücken, nach den Schritten ohne Widerhall, den vielen Schatten ohne Gesicht und den vielen Gesichtern ohne Antlitz hielt er nun endlich etwas Konkretes in den Händen, die banalste Sache der Welt: einen Namen und eine Telefonnummer.
    366

    Er sah Jean-Paul Francis an und fühlte sich leer. Es gelang ihm nicht, die richtigen Worte zu finden. Sein Gastgeber, der sein Retter und der Retter anderer unschuldiger Opfer sein könnte, lächelte ihn an.
    »Deinem Gesicht nach zu schließen würde ich sagen, dass es dich positiv berührt. Wenn wir jetzt im zuvor beschworenen Film wären, müsste nun wohl eine bedeutungsschwere Musik ertönen.«
    »Viel mehr, Jean-Paul. Sehr viel mehr …«
    Er nahm das Handy. Sein neuer Freund hielt ihn augenblicklich zurück.
    »Hier unten ist kein Empfang, wir müssen raus. Komm.«
    Sie gingen die Treppe hoch. Während Nicolas Hulots Verstand auf hundertachtzig lief, ergänzte Francis die Informationen, die er ihm eben gegeben hatte, noch mit einem letzten Rest von Erinnerungen.
    »Er wohnte hier in der Nähe, meine ich mich zu entsinnen, in der Gegend von Cassis. Er war ein kräftiger Typ, groß, nicht übermäßig groß, machte aber dennoch den Eindruck, über außergewöhnliche physische Kräfte zu verfügen. Er hatte etwas Militärisches an sich, wenn du weißt, was ich meine. Ich glaube, die Augen waren beeindruckend. Auf mich wirkten sie, als schauten sie einen an, ohne die Möglichkeit zu geben, angeschaut zu werden. Das ist die passendste Umschreibung, die mir einfällt. Ich weiß noch, wie seltsam es mir vorkam, dass so ein Typ ein Liebhaber von Jazzmusik sein sollte …«
    »Also dafür, dass du kein Computer bist, kommst du mit deinem Gedächtnis anscheinend noch ganz gut klar.«
    Während sie die Treppe hochstiegen, drehte sich Jean-Paul Francis zu ihm um. Er lächelte.
    »Meinst du? Aus irgendeinem Grund fange ich an, stolz auf mich zu sein.«
    »Ich denke, du kannst viele Gründe haben, stolz auf dich zu sein.
    Der von heute ist nur einer mehr.«
    Sie kamen ins Erdgeschoss und standen wieder im Sonnenlicht.
    Auf dem Küchentisch waren die Nudeln kalt und der Wein warm geworden. Ein Dreieck aus Licht hatte den Terrassenboden erreicht und kroch wie Efeu an einem Tischbein hoch.
    Hulot sah aufs Handy. Das Display zeigte wieder Empfang an. Er überlegte, ob er das Risiko eingehen konnte. Dann zuckte er mit den Schultern. Vermutlich war seine Angst, abgehört zu werden, einfach paranoid. Er drückte die Kurzwahltaste und wartete auf die Stimme 367

    am anderen Ende.
    »Salut, Morelli, ich bin’s, Hulot, ich brauche zwei Dinge von dir: Informationen und Verschwiegenheit. Schaffst du das?«
    »Klar.«
    Eine Gabe von Morelli war zweifelsohne seine Fähigkeit, keine unnötigen Fragen zu stellen, wenn es nicht angebracht war.
    »Ich gebe dir jetzt einen Namen und eine Telefonnummer durch.
    Kann leicht sein, dass die Nummer nicht mehr existiert. Müsste eine Nummer aus der Provence sein, um genau zu sein. Sagst du mir die zugehörige Adresse, so schnell wie möglich?«
    »Sofort.«
    Er gab dem Inspektor die Angaben, die er hatte, und legte auf.
    Zur Bestätigung fragte er Francis, was in Wirklichkeit nur ein lauter Gedanke war.
    »Bei Cassis, hast du gesagt?«
    »Ich denke schon. Cassis, Auriol, Roquefort, ich kann mich nicht genau erinnern, aber vermutlich war es dieses Gebiet.«
    »Ich glaube, ich werde mal einen Ausflug in diese Gegend machen müssen.«
    Hulot ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen, als wolle er sich jedes Detail im Gedächtnis einprägen. Dann sah er Francis wieder in die Augen.
    »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich jetzt wie ein Dieb verschwinde. Wie du dir vielleicht denken kannst, habe ich’s ein bisschen eilig.«
    »Ich weiß schon, wie’s dir gerade geht. Das heißt nein, ich weiß es nicht, ich versuche nur, es mir vorzustellen. Hoffentlich findest du das, was du finden musst. Komm, ich bring dich noch zur Tür.«
    »Tut mir Leid, wenn ich dir dein Mittagessen verdorben habe.«
    »Du hast überhaupt nichts verdorben, Nicolas. Ganz im Gegenteil. In der letzten Zeit hatte ich nicht unbedingt viel Gesellschaft.
    Mit dem Alter kommen auch gewisse Widersprüche. Manchmal fragt man sich schon, wenn die Zeit so schnell vergeht, warum es dann Momente gibt, die anscheinend nie vorübergehen …«
    Während er Jean-Paul zuhörte, durchquerten

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