Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
Vom Netzwerk:
auf die Antwort. Seine Kieferknochen traten hervor.
    »Sorel ist bei ihm in der Wohnung? Bist du sicher?«
    Erneutes Warten. Wieder Worte am anderen Ende.
    »Egal. Hör gut zu, was ich dir jetzt sage. Kein Kommentar. Jean-Loup Verdier ist Keiner. Ich wiederhole: Jean-Loup Verdier ist Keiner. Ich muss dir nicht sagen, wie gefährlich er sein kann. Lass Sorel unter irgendeinem Vorwand rauskommen. Lasst den Täter allein, aber verhindert unter allen Umständen, dass er das Haus verlässt.
    Verteilt euch so, dass ihr alle Ausgänge unter Kontrolle habt, aber unauffällig. Wir sind gleich mit Verstärkung da. Unternehmt nichts, 415

    solange wir nicht vor Ort sind. Sind wir uns einig? Absolut gar nichts.«
    Morelli legte auf. Frank saß wie auf glühenden Kohlen.
    »Gehen wir.«
    Mit einem Satz waren sie am anderen Ende des Raumes und bogen nach rechts zum Ausgang. Als Raquel sie in Richtung Tür gehen sah, drückte sie den Summer. Beim Rausgehen hörten sie aus dem Raum mit der Glastür, gleich neben dem Ausgang, Pierrots aufgeregte Stimme. Frank schoss ein Gedanke in den Kopf, und er fühlte sich sterbenselend.
    Nein, sagte er sich, nicht jetzt, dummer Junge, nicht jetzt. Sag bloß nicht, dass deine dumme Gutmütigkeit uns jetzt zum Verhängnis wird …
    Er stieß die Glastür auf und blieb wie versteinert stehen. Neben dem Tisch stand Pierrot mit tränenüberströmtem Gesicht und sprach mit schluchzender Stimme ins Telefon.
    »Die sagen hier, dass du der böse Mann bist, Jean-Loup. Sag, dass es nicht wahr ist, bitte sag, dass es nicht wahr ist …«
    Mit einem Satz war Frank bei ihm und riss ihm den Hörer aus der Hand. Er hielt ihn an sein Ohr.
    »Hallo, Jean-Loup, ich bin’s, Frank, hörst du mich …?«
    Einen Moment lang herrschte am anderen Ende Schweigen, dann hörte Frank deutlich das Klick, als die Verbindung unterbrochen wurde. Pierrot setzte sich auf einen Stuhl und hörte nicht auf, heftig zu schluchzen. Frank wandte sich an Morelli.
    »Claude, wie viele Männer sind vor Jean-Loups Haus?«
    »Drei. Zwei draußen und einer drinnen.«
    »Wie erfahren sind sie?«
    »Bestens.«
    »Okay. Ruf sie sofort an, und erklär die Situation. Sag ihnen, dass es mit der Überraschung nichts wird, weil der Täter alarmiert wurde. Der Polizist im Haus ist in Lebensgefahr. Sie sollen mit der größtmöglichen Vorsicht ins Haus eindringen und wenn nötig auch Waffen einsetzen. Und nicht nur schießen, um zu verletzen, habe ich mich deutlich ausgedrückt? Wir können jetzt nur noch dorthin rasen und hoffen, dass es nicht schon zu spät ist.«
    Frank und Morelli gingen aus dem Raum und ließen Bikjalo und Raquel in betroffenem Schweigen zurück.
    Der arme Pierrot blieb wie eine Marionette auf dem Stuhl sitzen und weinte, die Augen auf den Boden gerichtet, vor dem Scherben416

    haufen seines zerbrochenen Idols.
    417

Zehnter Karneval
    Der Mann legt langsam auf und kümmert sich gar nicht um die wütende und gleichzeitig beschwörende Stimme aus dem Hörer. Er lächelt, und es ist ein sehr süßes Lächeln, das seine Lippen umspielt.
    Dann wäre der lang ersehnte Moment gekommen. Er fühlt sich irgendwie erleichtert und befreit. Vorbei ist die Zeit, an Mauern entlangzuschleichen, im hilfreichen Schutz des Schattens. Jetzt wird da, für wie lange auch immer, das tröstende Licht der Sonne sein, ihre Wärme auf seinem demaskierten Gesicht. Der Mann ist keineswegs besorgt, er ist lediglich wachsam, so wachsam, wie er es die ganze Zeit über nie gewesen war. Ab sofort wird er Hunderte von Feinden haben, viel mehr als ihn bisher gejagt haben.
    Sein Lächeln wird breiter.
    Alles umsonst, sie werden ihn nie kriegen. Die langen Stunden des Drills in der Vergangenheit, aufgezwungen wie eine unerschütterliche Pflicht, sind seinem Gedächtnis wie die Brandzeichen auf dem Rücken eines Sklaven eingeprägt.
    Gut, Monsieur! Natürlich, Monsieur! Ich kenne tausend Arten, einen Menschen umzubringen, Monsieur. Der beste Feind ist nicht der, der sich ergibt, Monsieur. Der beste Feind ist der, der tot ist, Monsieur …
    Plötzlich kehrt die herrische Stimme des Mannes, der ihn zwang,
    »Monsieur« zu ihm zu sagen, in sein Gedächtnis zurück, seine Befehle, die Bestrafungen, die eiserne Faust, mit der er jede Sekunde ihres Lebens beherrschte.
    Wie in einem Film stößt er wieder auf die Bilder ihrer Demütigungen, ihres Kampfes, der Regen auf ihren vor Kälte zitternden Körpern, eine verschlossene Tür, ein immer schmalerer Streifen Licht auf

Weitere Kostenlose Bücher