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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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stellt fest, ob nicht doch irgendwelche Schäden auf der Gesichts- oder der Kopfhaut zu sehen sind. Kein Schnitt, kein Kratzer. Die Augenhöhlen sind sauber. Die Lippen, die schwierigste Stelle, sind voll und fleischig. Nur einige Blutspritzer beeinträchtigen die Schönheit dieses Gesichtes.
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    Hervorragende Arbeit. Er lehnt sich einen Moment entspannt zurück und verschränkt die Hände im Nacken. Er drückt den Rücken durch, um die Nackenmuskeln zu lockern.
    Der Mann ist müde. Die Nacht war erfolgreich, aber sehr anstrengend. Die Anspannung fällt Stück für Stück von ihm ab und beginnt, ihren Preis zu fordern.
    Der Mann gähnt, aber noch ist es nicht an der Zeit, sich auszuruhen. Vorher muss er seine Arbeit noch zu Ende bringen. Er steht auf und öffnet einen Schrank. Er nimmt eine Packung Kleenex und einen Flakon mit Desinfektionsmittel heraus und setzt sich wieder an den Tisch. Vorsichtig beginnt er, die Maske von Blutflecken zu säubern.
    Die Musik in seinem Kopf nimmt jetzt den ruhigen Ton gewisser New-Age-Melodien an und wogt im zarten Wechselspiel mit den Klängen eines Chores. Da ist noch ein folkloristisches Element, vielleicht eine Panflöte, die seinen Geist mit denselben zarten Bewegungen liebkost, mit denen er liebkost, was einmal das Gesicht eines Mannes war.
    Jetzt ist er fertig. Auf dem Tisch, neben der Maske, liegen ein paar rötlich befleckte Taschentücher. Mit zusammengekniffenen Augen bewundert der Mann sein Meisterwerk.
    Seit er hereingekommen ist, hat er praktisch kein Geräusch verursacht, doch die Stimme kommt trotzdem, erwartungsvoll.
    Bist du da, Vibo?
    Der Mann hebt den Kopf und schaut zur Tür neben dem Schreibtisch, an dem er sitzt.
    »Ja, ich bin da, Paso.«
    Wieso hast du so lange gebraucht? Ich hab mich einsam gefühlt hier im Dunkeln.
    Plötzliche Nervosität ergreift den Mann, seiner Stimme jedoch ist das nicht anzumerken. Er wendet das Gesicht zu jener Öffnung im Halbschatten links.
    »Ich war nicht zum Vergnügen draußen, Paso. Das, weshalb ich weggegangen bin, habe ich für dich getan …«
    Ein leichter Vorwurf ist herauszuhören, der unversehens eine nachgiebige Antwort hervorruft.
    Ich weiß, Vibo, ich weiß. Es tut mir Leid. Entschuldige. Es ist ja nur, dass die Zeit einfach nicht vergeht, wenn du weg bist.
    Der Mann fühlt eine seltsame Zärtlichkeit in sich aufsteigen. Sein leichter Ärger legt sich sofort. Wie der Löwe, der sich an die Kinderspiele seiner Welpenzeit erinnert. Wie der Wolf, der die Schwäche165

    ren seines Rudels beschützt und verteidigt.
    »Ist schon in Ordnung, Paso. Jetzt werde ich hier bei dir schlafen.
    Und außerdem habe ich dir etwas mitgebracht.«
    Die Stimme ist überrascht, ungeduldig.
    Was denn, Vibo?
    Das Lächeln kehrt auf das Gesicht des Mannes zurück. Er legt das Gesicht wieder in die Schachtel und schließt den Deckel. Er löscht die Lampe vor sich. Dieses Mal würde alles perfekt sein. Immer noch lächelnd, nimmt er die Schachtel und geht zu der Tür hin
    über, hinter der die Dunkelheit und die Stimme warten.
    Mit dem Ellbogen betätigt er einen Lichtschalter an der Wand.
    »Etwas, das dir gefallen wird, du wirst sehen …«
    Der Mann tritt ins Zimmer. Es ist ein kahler Raum mit grau gestrichenen, bleifarbenen Wänden. Auf der rechten Seite ein sehr spartanisches Eisenbett, daneben ein ebenso schlichter hölzerner Nachttisch. Darauf eine kleine Lampe mit Schirm, sonst nichts. Die Decke ist glatt gezogen, faltenlos. Das Kissen und der Streifen des Lakens, der über das obere Ende der Decke geschlagen ist, sind makellos rein.
    Neben dem Bett, etwa einen Meter entfernt, steht ein etwa zwei Meter langer, gläserner Schrein auf zwei Holzböcken, ähnlich denen, die den Schreibtisch im Nebenzimmer stützen. Von einem Loch im Boden des Schreins führt ein hermetisch abgedichteter Gummischlauch zu einer kleinen Maschine, die zwischen den Beinen des Bocks zur Tür hin steht. Ein Elektrokabel verbindet die Maschine mit einer Steckdose.
    In dem Schrein liegt ein mumifizierter Körper. Es ist der Leichnam eines Mannes, ungefähr einen Meter achtzig groß, komplett nackt. Die vertrockneten Formen lassen eine Statur erahnen, die derjenigen des Mannes ähnelt, auch wenn die zusammengeschrumpfte Haut sich jetzt zurückgezogen hat und die Rippen vorstehen und die Gelenke an Knien und Ellenbogen herausragen lässt, wie bei einigen Tierarten.
    Der Mann kommt näher und legt eine Hand auf das Glas. Die Wärme seiner Haut malt einen leichten

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