Ich Töte
Sie müssen ihn fassen. Vor Parker, vor der hiesigen Polizei, wenn möglich.
Trotz der hiesigen Polizei, notfalls. Washington möchte, dass dieser Fall ein Paradestück für Amerika wird. Ob Sie wollen oder nicht, ich möchte keine Namen nennen, aber Sie müssen weit über Elliot Ness hinausgehen, das Hemd wieder ausziehen und Rambo spielen.«
Frank dachte, dass Durham und er unter anderen Umständen gute Freunde hätten werden können. Die kurze gemeinsame Zeit hatte seine Sympathien für diesen Mann ganz erheblich wachsen lassen.
»Sie wissen, dass ich es tun werde, Dwight. Ich werde es tun, aber aus keinem der Gründe, die Sie mir gerade genannt haben. Wir sind wie Kopf und Zahl, vielleicht ist es so, aber es ist reiner Zufall, dass wir auf derselben Münze in derselben Tasche sind. Ich werde 216
diesen Mörder fassen, und ihr könnt diesem Umstand die Bedeutung zuweisen, die ihr möchtet. Ich verlange nur eins.«
»Nämlich?«
»Dass ihr es so einrichtet, dass eure Gründe nicht zwangsläufig die meinen werden.«
Dwight Durham, Konsul der Vereinigten Staaten, erwiderte nichts. Vielleicht hatte er nicht verstanden, vielleicht hatte er nur zu gut verstanden und konnte damit leben. Er erhob sich und schob mit den Händen seine Hosenbeine herunter. Das Gespräch war beendet.
»In Ordnung, Frank. Ich glaube, es ist alles gesagt.«
Frank stand ebenfalls auf. Die beiden schüttelten sich die Hände im Gegenlicht dieses frühsommerlichen Nachmittags. Draußen näherte sich die Sonne langsam dem Horizont. Das Blau des Himmels vertiefte sich allmählich.
In wenigen Stunden würde die Nacht hereinbrechen, die Nacht mit ihren Stimmen und den Mördern im Schatten. Und ein jeder würde versuchen, sich im Dunkeln zu seinem Versteck zu tasten.
»Machen Sie sich keine Umstände, mich hinauszubegleiten, ich kenne den Weg. Auf Wiedersehen, Frank, und Hals- und Beinbruch.«
»Dieser Pfad ist steinig, Dwight, es wird schwer sein, nicht ins Stolpern zu kommen.«
Durham wandte sich zum Ausgang und öffnete die Tür. Malcolm war kurz im Flur zu sehen, als er sie hinter sich zumachte.
Frank war wieder allein.
Er entschied, dass ein zweites Bier durchaus gerechtfertigt war.
Er ging in die Küche, um es zu holen, und ließ sich dann auf dem Sofa nieder, auf dem sein Gast gesessen hatte.
Wir sind zwei Seiten derselben Medaille … Kopf oder Zahl, Dwight?
Er entspannte sich und versuchte, Durham und ihre Begegnung zu vergessen, die Diplomatie, die Kriege und die Fesseln der Justiz.
Er trank einen Schluck Bier.
Er wollte versuchen, etwas zu tun, das er schon eine ganze Weile nicht mehr getan hatte. Er nannte es »Öffnung«. Wenn die Ermittlungen an einen toten Punkt kamen, setzte er sich hin und versuchte, den Kopf frei zu bekommen, die Gedanken fließen und sich miteinander verbinden zu lassen, wie ein mentales Puzzle, das sich ohne sein Zutun zusammensetzt. Ohne einen Willen, gelenkt nur durch die geheimen Gesetze des Unterbewusstseins. Eine Art unbeteiligtes 217
Denken in Bildern, das schon öfters zu ganz hervorragenden Ergebnissen geführt hatte. Er schloss die Augen.
Arijane Parker und Jochen Welder.
Das Schiff, eingeklemmt am Kai, die Masten leicht nach links geneigt.
Die beiden auf dem Bett, die Köpfe verstümmelt, die Zähne zu einem zornlosen Grinsen entblößt.
Die Stimme im Radio.
Die blutrote Inschrift.
Ich töte …
Jean-Loup Verdier. Seine halb zusammengekniffenen Augen.
Harriets Gesicht.
Nein, nicht jetzt, nicht heute!
Wieder die Stimme im Radio.
Die Musik. Die Plattenhülle von Santana.
Allen Yoshida.
Sein Kopf am Autofenster.
Der helle Autositz, wieder die rote Inschrift.
Die Hand, das Messer, das Blut.
Die Bilder des Films.
Der Mann in Schwarz und Allen Yoshida.
Die Fotos vom Zimmer, ohne sie.
Der Film. Die Fotos. Der Film. Die Fotos. Der Fil…
Mit einem Ruck und fast gegen seinen Willen sprang Frank Ottobre auf und stand vor dem Sofa. Es war ein winziges Detail, das sein Geist wahrgenommen und wie eine Sicherungskopie abgelegt hatte. Er musste unverzüglich in die Zentrale zurück, um nachzusehen, ob seine Erinnerung den Tatsachen entsprach. Vielleicht bildete er sich das alles nur ein, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als sich an den allerkleinsten Strohhalm zu klammern. Er hätte jetzt gern tausend Finger gehabt, um sie alle zusammen hinter seinem Rücken zu kreuzen.
218
28
Als Frank am Eingang des Präsidiums in der Rue Notari anlangte, war es schon später
Weitere Kostenlose Bücher