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Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Titel: Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)
Autoren: Kelle Groom
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Bewusstsein verliere. Das Hut-Mädchen sieht nicht, wie ich aus der Toilette komme. Der Türsteher sieht nicht, wie ich die Bar verlasse. Sonst kennt mich niemand. Das Hut-Mädchen kann mich weder in der Bar noch auf dem Parkplatz finden. Um fünf Uhr morgens fährt der ältere Mann sie nach Hause. Es ist noch nicht fünf, als ich in einem Haus aufwache, auf dem Teppich, mit brennenden Knien. Eine Bewusstlosigkeit geht zu Ende. Drei fremde Männer stehen über mir – zwei dunkelhäutige, die nach Nahem Osten aussehen, und ein blonder Amerikaner. Vage erinnere ich mich, dass ich mit dem blonden Mann getanzt habe.
    Meine Knie sind rot, aufgeschürft, weil ich versucht habe zu rennen, obwohl ich nicht stehen konnte. Ich krieche schnell. Jemand lacht, bewegt sich gemächlich, aber ich spüre, er ist angespannt und fürchtet, ich könnte abhauen. Er erlaubt mir, bis zur Schlafzimmertür zu kommen, den goldenen Knauf zu berühren und bis zum Anschlag zu drehen, bis zur immer selben Stelle,
nein,
immer wieder, weil die Tür verschlossen ist, dann zerrt er mich zurück.
    Wir sind in einem quadratischen Zimmer eines Vororthauses, nebenan schlafen die Nachbarn, kaum Möbel im Zimmer: dunkelbraunes Sperrholz, die Wandverkleidung, in der Ecke, wo der Blonde steht, ein Bett, das wie eine Metallbrücke scheppert. Es ist sehr spät, schon fast Morgengrauen.
    Mich zu entführen war leicht. Als ich mit dem Blonden tanzte, versprach er mir eine Flasche, wenn ich mitkäme, um sie mir zu holen. Ich weiß nicht, wie die beiden dunkelhäutigen Männer hierherkommen, von denen mich einer ins Zimmer zurückzerrt, als ich davon will. Sie sprechen Englisch, aber ihr Akzent ist aus einem anderen Land. Die drei könnten Studenten sein, zusammen in einem Haus, ohne den Wunsch, es hübsch zu machen – einfach nur Wände, ein Ort zum Schlafen, Türen.
    Sie lassen mich nicht gehen. Die Männer mögen es nicht, wenn ich schreie. Einer von ihnen sagt: »Ich kann nicht kommen, wenn sie schreit.« Sie verdecken mir den Mund, das Gesicht, und drücken drauf. Sie drücken so lange, bis es still ist.
    Am Anfang, als ich mich wehre, ist es wie unter Wasser nach einer großen Welle, wenn man nicht weiß, wo oben ist, und ich halte die Luft an. Ich stemme mich, so fest es geht, dagegen, aber das Gewicht ist schwer wie von Felsen, von schweren Möbeln, und rührt sich nicht, als wäre ich in der Schleuse eingeschlossen. Ich stemme mich wieder dagegen, aus einer anderen Richtung, als würde ich geboren, erschrocken, dass es nicht ausreicht. Das Dunkel das Dunkel des Untergrunds. Ich höre auf, mich zu stemmen.
    Mein Körper ist leer, die Lungen wie Taschentücher flach in meiner Brust, ich atme etwas, das nicht Luft ist, wehre mich nicht. Meine Augen können sehen. Ich könnte in der Erde sein oder ein bisschen darüber – eine Höhle, geräumig. Ich kann mir meinen Mädchenkörper auf dem Boden des Hauses vorstellen, die Schultern aneinandergedrückt. In der Höhle erscheint ein Licht am Rande meines Sichtfelds, wie Vögel im Flug. Mit einer Strömung, die mich zieht, die mir alles verspricht, nur nicht meinen Körper. Der Drang, dem Ziehen des Lichts nachzugeben, erinnert mich an das überwältigende Bedürfnis zu pressen, als Tommy geboren wurde. Zum ersten Mal bin ich gegenüber dem Mädchenkörper, den ich sehe, nicht hart, sondern bewundere, wie er gemacht ist, der Torso gebräunt, weiß, was das Bikinioberteil bedeckt hat, wie zwei Hände, ein Streifen ungebräunter Haut um den Hals, der weiß leuchtet.
    Einst hat das Mädchen mit diesem Körper in einen goldenen Stuhl gepasst, zusammen mit ihrem Bruder, an den Füßen weiße Söckchen, der Stuhl so groß, dass er wie ein Thron ist. Das Mädchen hat einen rosa Mantel mit goldenen Knöpfen, und ihr Vater wollte es Aurora nennen, das ist der Name der aufgehenden Sonne, damit es nie vergisst, wie glücklich er an dem Tag war, als es geboren wurde. Dies hier ist die entgegengesetzte Morgendämmerung. Dieses Mädchen in diesem Zimmer könnte Blätter im Wald sein, ein Arm, der herausragt. Gras, das aus dem Mund wächst.
    Einmal, in einer Geschichte, wurde ein Mädchen durch eine Tür hindurch erschossen – es hatte draußen getanzt und verkündet, dass ein Kind geboren werde. Ein Jahr später wird jemand bei einem AA -Treffen sagen: »Ich glaube, die Geschichte würde dir gefallen«, und mir ein Exemplar des
Paris Review
geben. In der Geschichte ist es so, dass man, wenn man leben will und diesen Wunsch
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