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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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zweifellos den Verstand. Ich hob
    den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. Ihr Blick lag for-
    schend auf mir. Eine Welle der Angst überflutete mich. Ich
    beschloß im selben Augenblick, jede Vermutung hartnäckig zu
    leugnen, sollte sie mich wiedererkennen. Doch ihr Blick glitt
    gleichgültig über mich hinweg, sie nahm meine Bestellung
    entgegen und ging ihrer Arbeit nach. Ihr war nicht einmal in
    den Sinn gekommen, eine Frage zu stellen. Angesichts ihrer
    Gleichgültigkeit legte sich meine Aufregung etwas. Ich spürte,
    daß sie sich natürlich verhielt und nicht versuchte, mich ab-
    sichtlich links liegen zu lassen. Sie hatte mich einfach nicht
    wiedererkannt. Ich hatte auf der Stelle bezahlt und leerte nun
    meinen Krug in hastigen Zügen. Clara setzte sich wieder an
    ihren Tisch, und ich verdrückte mich unbemerkt. Auf dem
    Weg zum Bahnhof wandte ich kein einziges Mal den Kopf.
    Ich schritt eilig aus. Ich hatte das Gefühl, daß mich jemand
    verfolgte und mir jeden Moment den Weg versperren könnte.
    Ich stieg in den ersten Zug nach Braunschweig.
    – Als ich Clara Meiners-Frieling kürzlich traf, erinnerte sie
    sich absolut nicht an meinen Besuch. Ihren Worten zufolge
    waren mehrere Hitlerjungen Stammgäste in ihrem Lokal, und
    sie entsann sich keines besonderen Ereignisses. –
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    Selbstverständlich erzählte ich Gerhard, meinem Zimmer-
    genossen aus Peine, nichts von meinem heimlichen Besuch in
    unserer gemeinsamen Heimatstadt. Ich schwor mir, niemals
    mehr in die »verbotene« Stadt zurückzukehren, es sei denn
    als freier Mann in eine »freie« Stadt.
    Aber ein heftiges unabweisliches Bedürfnis trieb mich im-
    merzu in die Nähe al dessen, was mich an zu Hause erinnerte.
    Die herzliche Beziehung zu Fräulein Köchy verschaffte mir
    manche Annehmlichkeit. Sie lud mich hin und wieder zu
    Konzerten oder Opern in das Stadttheater von Braunschweig
    ein. Diese Abende stellten für mich eine große kulturelle
    Bereicherung dar.
    Denn eine Sehnsucht konnte ich nicht unterdrücken: die
    Sehnsucht nach einer familiären Geborgenheit, und sei sie
    auch noch so gering. Ich hatte meine Jugend im Waisen-
    haus, in Schützengräben, Bunkern und fremden Häusern
    verbracht. Ich gierte nach einer warmherzigen, liebevollen
    Atmosphäre, hätte so gerne wieder unsere Küchendüfte oder
    den Geruch des Schlafzimmers in der Nase gehabt … Ich
    beneidete meine Kameraden. Alle besaßen sie eine Familie.
    War ich zufällig bei einem Mitschüler zu Hause, warf ich
    neugierige Blicke um mich, erpicht darauf, alles in mich
    aufzusaugen, was das normale Familienleben ausmachte.
    Deshalb war ich überglücklich, als mich Fräulein Köchy
    einmal in ihre Wohnung einlud. Ich genoß die Behaglich-
    keit, die ich fast vergessen hatte und die ich so schmerzlich
    vermißte, in vollen Zügen. Es war ein bescheidener Trost.
    Aber ich stellte mir dabei meine Eltern vor, und mein Leid
    wurde etwas gemildert. Für meine Gastgeberin war es ein
    normaler Höflichkeitsbesuch. Nicht so für mich. Ich schaute
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    oft bei Fräulein Köchy vorbei, und diese Abstecher prägten
    sich unauslöschlich in mein Gedächtnis ein.
    Im Sommer 1943 organisierte die Familie Köchy einen
    Ferienaufenthalt für mich bei nahen Verwandten in Thale,
    einer kleinen Stadt im Harz, diesem Gebirge von seltener
    Schönheit. Dort hatte der Dichter und Denker Goethe, auf
    einem runden Felsen nahe einer kristallklaren Quelle und
    umgeben von lichtgrünen Bergen, seinen berühmten Faust
    verfaßt. Vom Gipfel des gegenüberliegenden Berges meinte
    ich deutlich den Hexentanzplatz zu erkennen, von wo um
    Schlag Mitternacht die Hexen zu ihrem teuflischen Ritt auf-
    gebrochen sein sollen.
    Ich unternahm jeden Tag einsame Spaziergänge in die Um-
    gebung. Ich fühlte mich frei und glücklich. Auf Goethes Felsen
    sitzend, vom Geheimnisvollen umschwebt, hing ich meinen
    Träumen vom Elternhaus nach: Sehnsucht. Der Schmerz stach
    mich mit tausend Nadeln. Ich riß einige Seiten aus meinem
    Notizbuch und brachte ein persönliches, sehnsüchtiges Ma-
    nifest, eine Beichte und eine Anklageschrift gegen die Welt
    und ihren Schöpfer zu Papier. Während ich mich noch mit
    der Formulierung meiner Gedanken herumschlug, kam ganz
    in der Nähe ein französisch sprechendes junges Paar herüber.
    Sie waren wohl Fremdarbeiter. Im dichten Gebüsch legten
    sie ihre Kleider ab und sprangen nackt in die Flußströmung.
    Die Berge warfen das Echo ihrer Freudenschreie zurück, als
    wollten sie

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