Ich weiß, ich war's (German Edition)
Männer in Frauenkleidern, Uniformen, Bunkergänge und sinnlose Systeme mag, auch wenn die Midlife-Kritiker aufs Kreuz fallen.
Nächste Runde.
Herr Settje meldet sich zu Wort, Kino Bremen, und bittet um Gehör: »Otto Mühl hat viel besser gekotzt und außerdem wünsche ich mir ›Menu Total‹ im Fernsehen, damit die Zuschauer endlich wieder in mein 60er-Jahre-Kino kommen.«
Und ich dachte schon, das »Volksblatt« hätte unrecht, als es behauptete: »Kein Film für’s Publikum: Ekel und schräge Töne bei ›Menu Total‹.« Ich kenne Otto Mühl und der hat bestimmt nichts mit meinem Film zu tun. Aber egal. […]
Bloß weil ich Naziuniformen gewählt habe und mit deren Sinnlosigkeit operiere, will man mir ans Leder? Was wäre denn, wenn ich Bundeswehr- oder amerikanische Uniformen benutzt hätte? Vielleicht ein anderer Applaus. […]
Die Diskussion geht weiter und erreicht die 90. Minute, länger als mein Film und länger als alle anderen Diskussionen im Delphi. Mein Gesundheitszustand verschlechtert sich, die Medikamente wirken und mein Gesamteindruck hinterlässt arrogante Spuren.
»So ein Bengel: Da liefert er einen tiefdepressiven Film ab, arbeitet seine Familienverhältnisse auf, und die Vergangenheit noch dazu, und jetzt sitzt er da und ist besoffen. Wenn er wenigstens geheult hätte!«
Die Diskussion erreicht ihren vorläufigen Höhepunkt: Peter B. Schumann erinnert nochmals an die zeitgemäße Vergangenheitsbewältigung und missachtet somit erneut den für uns alle so wichtigen Anspruch, die Dinge im Gedächtnis zu behalten und gleichzeitig nach neuen Gesichtspunkten zu suchen. Sollte es jemals möglich sein, die Dinge zu lösen, so erwarte ich von der Friedensbewegung, dass sie sich in den Atompilz verliebt, und der Papst den Teufel heiratet.
Aber von alldem bleibt an jenem Abend nicht viel übrig. […] Ich verlasse die Bühne und begrüße ehemalige Feinde. Nach kurzem Gespräch ist klar: Es gibt nur einen Titel für unser neues Projekt: GOTTESGLÜCK.
(1986, aus dem Nachlass)
Und dann – um das mit meinen Eltern noch weiterzuführen – kommt mein Vater. Er hat Tränen in den Augen und sagt: »Wie kannst du so einen Film machen? Jetzt denken alle, ich hätte dich früher geschlagen. Wie kannst du nur so was machen? Das ist mir ein Rätsel.« Dann kommt seine Schwester, meine geliebte Patentante Trudi, und sagt: »Ist ein toller Film, ein ganz wichtiger Film. Toll, dass der Christoph den gemacht hat.« Und plötzlich steht Werner Nekes vor mir. Das ist so ein Experimentalfilmer, bei dem ich Anfang der Achtziger mal Assistent war. Der lebt übrigens noch und hat mir vor Kurzem ein Buch geschickt. Und zwar über den Eros der Neger. Wirklich, das ist der Titel: »Neger-Eros«, ein ethnologisches Buch von 1928, im sachlichen Ton, aber mit Dutzenden von Fotos, Bildern, Zeichnungen – so eins der wissenschaftlichen Aufgeilbücher von damals. Das hat mir Nekes also geschickt. Was typisch ist, weil ja diese älteren Herren aus dem Regie-Gewerbe alle zu so leichten Überspanntheiten neigen. Mir selbst kann man inzwischen zwanzig Obsessionen hinstellen, die mich früher bestimmt mal interessiert hätten, ich würde nur fragen, ob jemand was trinken will oder ob ich Plätzchen besorgen soll. Alles völlig belanglos für mich. Aber Nekes hat die Obsessionen, und der Peter Zadek hatte die auch. Als der mitkriegte, dass ich im Krankenhaus lag, rief er an: »Hallo, Christoph, hier ist der Peter. Sag mal, wie geht’s dir denn?« Sag ich: »Mir geht’s scheiße.« Sagt er: »Wirklich? Was hast du denn?« »Ich hab Krebs, Lungenkrebs.« »Ja, das ist scheiße! Das ist echt scheiße!! Du, ich schick dir ein Buch, das wird dich befreien, die Elisabeth steckt dir das gleich in die Post.« Und zack, aufgelegt. Drei Tage später war wirklich ein Buch da, mit Widmung. Und dann mach ich das auf, da ist das Dr. Jekyll und Mr. Hyde als Comic, wahnsinnig toll gezeichnet, aber nur ficken, lecken, blasen, alles auf dem Rasen. Also man kann es sich nicht vorstellen, das Ding war der ultimative Porno-Comic. Ein Tag später: »Hallo, hier ist der Peter! Ist das Päckchen angekommen?« Ich: »Ja, ist angekommen.« Er: »Ist gut, ne?«
Auf jeden Fall meinte Werner Nekes damals auf der Berlinale, »Menu Total« sei faschistoid. Und dann kam Eva M. J. Schmid, die Filmkritikerin von »epd Film«, und meinte, der Film sei großartig und total wichtig für Deutschland. Hat sie dann später auch in ihrer Kritik geschrieben, aber
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