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Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Titel: Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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sagen, wenn du nicht möchtest. Aber es wäre schon hilfreich, um die Situation besser verstehen zu können.«
    Ich: »Sie hat es mitbekommen, klar.«
    Krause: »Woher meinst du, das zu wissen? Hat sie mal was dazu gesagt oder es sogar gesehen?«
    Ich: »Meine Güte, so dumm kann ein Mensch doch gar nicht sein. Sie war immer, jedes gottverdammte Mal, wenn es passiert ist, zu Hause. Was bitte soll sie denn gedacht haben, was er immer bei mir macht? Meinen Sie, sie kam auch nur ein einziges Mal hoch und hat geguckt? Nein. Natürlich nicht. Wieso auch? Und oft genug ging es mir beschissen. Meinen Sie, das hat sie auch nur einen Scheißdreck interessiert? Nicht im Geringsten. Und blaue Flecken oder so hat man natürlich auch immer mal. Schon klar. Außerdem hat sie mal selbst gesagt, ich solle doch glücklich sein und mich nicht so anstellen, wo ich schon alles bekomme, was ihr zustehen würde.«
    Krause: »Hat sie damit die sexuellen Übergriffe gemeint?«
    Ich:»Was denn sonst?«
    Krause: »Aber wenn sie dir nicht geholfen hat in all der Zeit, wieso hast du denn trotzdem noch später versucht oder dich bemüht, den Kontakt zu ihr aufrechtzuerhalten? Musst du nicht unwahrscheinlich sauer auf sie sein?«
    Ich: »War klar, dass Sie das nicht verstehen können. Wahrscheinlich denken Sie auch, ich habe es so gewollt. Was könnte ich mir auch mehr wünschen? Aber sie war oder ist immerhin trotzdem noch meine Mutter. Und früher, bevor er kam, war sie ja auch nicht so. Sie hat bestimmt vieles auch nicht so gewollt.«
    Krause: »Und meinst du nicht, es wäre nach dieser Ausgangslage eher ihre Aufgabe, auf dich zuzugehen?«
    Ich: »Was ist das denn schon wieder für eine Frage? Natürlich wäre es ihre Aufgabe. Aber sie ist dazu eben nicht in der Lage. Und ist es mittlerweile schon verboten, jemandem verzeihen zu wollen?«
    Krause: »Dann frag ich mal so. Ist die Sache denn zu verzeihen?«
    Ich: »Ihm kann ich garantiert nicht verzeihen, falls Sie das meinen. Niemals. Aber ihr vielleicht schon. Sie braucht selber Hilfe. Und manchmal denke ich, noch dringender als ich.«
    Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll, 8. Juli 2011, 14:13 Uhr
    Nun werde ich fast wütend auf den netten Herrn Krause! Was will er denn mit meiner Mutter? Was hätte sie denn tun sollen? Und mir fällt eine kurze Situation ein, in der sie tatsächlich versucht hatte, mich zu schützen. Ich war vielleicht 14 Jahre alt. Damals kam ich etwa fünf Minuten später nach Hause, als vereinbart war. Ich hielt mein Handy in der Hand, weil ich meiner Freundin noch eine Kurznachricht schicken wollte, als mein Stiefvater in den Flur stürmte: »Wo kommst du jetzt her?«, brüllte er. »Entschuldigung, der Bus …«, stammelte ich.
    Er tobte weiter: »Du gibst mir jetzt sofort dein Handy!« – »Nein!«, widersprach ich und versuchte hektisch, das Handy in meine Hosentasche zu schieben. Inzwischen war meine Mutter hinter ihm aufgetaucht und versuchte, ihn zu besänftigen. »Es waren doch nur fünf Minuten«, fing sie an, aber ihre Worte gingen in seinem Geschrei unter.
    Mein Stiefvater war außer sich: »Du gibst mir jetzt sofort dein Handy, sonst passiert was!«
    Ich weiß gar nicht mehr, warum ich mich so weigerte. Ich hatte es einfach satt, dass er uns so terrorisierte, und war trotzig und stur. Da stürzte er sich plötzlich auf mich, schlug mir sofort mit der Faust ins Gesicht. Meine Mutter schrie auf und versuchte, sich an seinen Arm zu klammern, um weitere Schläge zu verhindern: »Lass Anna doch in Ruhe, lass sie doch in Ruhe!«, wimmerte sie, während er mit einem Ruck seinen Arm befreite und meine Mutter dann mit Wucht gegen die Wand warf.
    »Mama!«, kreischte ich und rannte zu ihr. Meine Mutter lag benommen am Boden. Aus einer Platzwunde am Kopf sickerte Blut. Mein Stiefvater schnaufte zornig. Erst stand er unschlüssig im Flur, dann drehte er sich abrupt um und ging.
    Meine Mutter kam langsam wieder zu sich und kämpfte sich auf die Beine. Durch den Alkohol fiel ihr das doppelt schwer. Kein Wort zu mir. Ich fühlte mich schrecklich. Hätte ich ihm doch bloß mein blödes Telefon gegeben! Dann wäre Mama nichts passiert. Jetzt hatte sie meinetwegen Schmerzen. Und ich wollte mir gar nicht ausmalen, was er noch mit ihr anstellte. Widerspruch konnte er nicht leiden. Leise schlich ich die Treppen hinauf in mein Zimmer. Ich wollte keinem von beiden heute noch einmal begegnen. Erst als mein Hunger zu groß wurde, ging ich noch einmal nach unten in die Küche. Dort

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