Ich will doch nur küssen
unbedingt kurz mit ihr über Tess sprechen und darüber, der Kleinen den Besuch eines Zeichenkurses zu ermöglichen. Faith zog sich in eine ruhige Ecke des Raums zurück, um ungestört mit ihm zu reden.
Als sie sich nach dem Telefonat umdrehte, saß ihre Mutter am Schreibtisch, gegenüber von Tess.
»Wie alt bist du, Tess?«, fragte Lanie gerade.
»Vierzehn.«
»Und wie genau bist du mit Ethan Barron verwandt?«
»Mutter! Schluss mit dem Verhör!«, mischte sich Faith in die Unterhaltung ein und fuhr, zu ihrer Mutter gewandt, fort: »Wer hat denn da gerade angerufen?«
»Ach, das war Caroline Bretton. Sie hat eure Besprechung um einen Tag verschoben.« Bei der Erwähnung ihrer Freundin blickte Lanie finster drein. »Da dein Kalender offen auf dem Tisch lag, habe ich mir erlaubt, einen neuen Termin mit ihr zu vereinbaren.«
»Danke.« Faith hatte keine Ahnung, wieso ihre Mutter sich so ungewöhnlich zahm benahm, aber sie war ihr dankbar.
»Und dann hat noch ein Lieferant angerufen; dem habe ich ebenfalls einen Termin gegeben. Hier.« Ihre Mutter deutete auf einen Tag in der kommenden Woche, an dem bereits einige andere Lieferungen für Ethan anberaumt waren. »Aber mach dir keine Illusionen, ich halte trotzdem nichts von diesem Experiment.«
Jetzt geht’s los , dachte Faith. Jetzt kommt die längst fällige Unterhaltung . »Warum nicht? Ich muss doch von irgendetwas leben.«
»Ich dachte, du hättest von Carter eine ordentliche Summe erhalten?«, fragte ihre Mutter spitz.
Faith registrierte aus dem Augenwinkel, dass Tess ihnen mit weit aufgerissenen Augen fasziniert zuhörte.
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Das hat gereicht, um das Geschäft zu eröffnen und ein klein wenig für schlechte Zeiten beiseitezulegen«, sagte sie vorsichtig.
Lanie schüttelte den Kopf. »Du hättest das Geld lieber clever investieren und von den Zinsen leben sollen. Es ist total … unter deiner Würde, wie ein gewöhnlicher Mensch zu arbeiten.«
Faith setzte sich aufrecht hin und sah ihrer Mutter in die Augen. »Ich mag meine Arbeit, und ich bin stolz auf meinen Laden. Natürlich hätte ich gerne mehr Kunden, aber dank Dads illegaler Machenschaften haben die meisten Leute noch Vorbehalte mir gegenüber.«
Lanie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Faith fuhr bereits fort: »Und verschone mich mit diesem Unsinn von wegen man hätte Dad Unrecht getan. Er hat sich vor Gericht schuldig bekannt, und daraufhin hat man ihm seinen gesamten Besitz genommen und versteigert. Er wusste genau, was er getan hat.«
Ihre Mutter spitzte die Lippen – das war ihre Art, zu signalisieren, dass ihr diese Unterhaltung nicht passte und dass sie nicht gewillt war, weiter über das Thema zu reden.
Faith hätte gern den Arm ausgestreckt und ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, ließ es jedoch bleiben. Sie war nicht sicher, was sie mehr fürchtete – dass ihre Mutter womöglich zusammenbrechen könnte oder dass sie ihre tröstende Berührung abwehrte.
»Mom, begreifst du denn nicht, dass sich unser Leben geändert hat?«, fragte sie in einem etwas versöhnlicheren Ton. »Dass sich die Zeiten geändert haben? Und dass wir uns auch ändern müssen, wir beide?«
Da ihre Mutter nicht antwortete, gab Faith auf. »Nun gut, lassen wir das. Danke, dass du die Anrufe entgegengenommen hast und die Termine für mich vereinbart hast.«
Die Haltung ihrer Mutter entspannte sich angesichts des Themenwechsels. »Du magst es vielleicht schon vergessen haben, aber ich habe früher so einige Dinnerparties veranstaltet und bin ein richtiges Organisationstalent.«
Faith lächelte. »Ich erinnere mich.«
Lanie erhob sich und schlenderte ein wenig im Geschäft umher, blieb immer wieder stehen, um einen Gegenstand zu betrachten. Sie wirkte gelassen und ladylike, ganz so, als wäre sie immer noch die Hausherrin einer riesigen Villa, aber nun hatte Faith gesehen, dass ihre Rüstung Dellen abbekommen hatte. Lanie Harrington war nicht so unverwundbar, wie sie tat. Die Würde, an die sie sich so verzweifelt klammerte, könnte beim kleinsten Windstoß in sich zusammenfallen.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich hie und da etwas umstelle?«, fragte sie ihre Tochter überraschend.
»Nein, nein. Nur zu.«
Tess war offenbar zu dem Schluss gekommen, dass der interessante Teil der Unterhaltung vorbei war, denn sie hatte sich wieder die Kopfhörer aufgesetzt.
Faith nahm erneut an ihrem Schreibtisch Platz, während ihre Mutter da und dort einen Gegenstand
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