Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
sich. Silja hat eine schwarze Tasche dabei und Line einen blassgrünen Beutel. Silja-Line .
Tonja lacht. »Man kann von Em sagen, was man will, aber schlagfertig ist sie.«
Ich sehe sie an. »Seit wann nennst du Emelie Em?«
»Dann eben Emelie.«
»Das sagen doch nur Lovisa und die anderen«, beharre ich.
Tonja zuckt irritiert mit den Schultern. »Ist doch egal!«, sagt sie und geht durch die Tür.
Sport ist absolut nicht mein Fach. Ich gebe mir wirklich Mühe, weil Tonja der totale Sportcrack ist, aber egal, was ich mache, ich finde alles gleich zum Kotzen. Ich habe einfach kein Talent. Ich bin fast in allen Disziplinen schwach. Nicht die Letzte, auch nicht die Zweitletzte, aber schwach. Da das Wetter immer noch ziemlich gut ist, haben wir draußen Sport. Zum Aufwärmen laufen wir ein paar Runden um den Platz, bis meine Lunge brennt und ich Wackelpuddingbeine habe. Ich versuche es mit positivem Denken, denke an die Mittagspause und mein bevorstehendes Treffen mit Nils in der Bibliothek, aber nicht einmal das hilft, als Elsie die Trillerpfeife bläst und mitteilt, dass wir Brennball spielen. Ich krieg schon Kopf- und Bauchschmerzen, wenn ich das Wort nur höre. Und es wird nicht besser dadurch, dass die meisten anderen jubeln. Ich gehe zu Elsie, obwohl ich weiß, dass es nichts nützen wird.
»Ich habe meine Tage, mir ist schlecht«, lüge ich. »Kann ich nicht was Ruhigeres machen, Walking zum Beispiel?«
Elsie hat dickes, dunkelbraunes Haar, das sie immer zu einem Pferdeschwanz im Nacken zusammenbindet. Außerdem hat sie die nervige Angewohnheit, sich ständig zu bewegen. Ich finde es ungeheuer anstrengend, mich mit einem Menschen zu unterhalten, der entweder auf und ab hüpft oder mit kleinen, hektischen Schritten hin und her trippelt. Die Trillerpfeife hopst vor ihrem Busen auf und ab. Ihre Brüste hingegen hopsen nicht. Wahrscheinlich sind sie in einen engen Sport-BH oder sonst ein Folterinstrument gesperrt.
»Du weißt genau, dass Bewegung die Menstruationsbeschwerden lindert«, sagt sie schnell. »Wie oft muss ich das noch sagen?«
»Aber mir ist wirklich schlecht«, sage ich, was sogar die Wahrheit ist. »Wollen Sie, dass ich mich beim Home-Run übergebe?«
»Wenn du einen Home-Run machst, geb ich dir für den Rest der Stunde frei!«, sagt Elsie. »Und jetzt rein mit dir!«
Ich verabscheue Sport. Und ich verabscheue Elsie. Papa hat mir eingetrichtert, das Wort »hassen« nicht so inflationär zu gebrauchen wie alle anderen. Sie »hassen« Kartoffelbrei, bestimmte Musik, romantische Filme oder was auch immer. Aber was ist die Alternative für etwas ganz Schreckliches? Wenn jemand deine beste Freundin vergewaltigt oder dir deinen kleinen Bruder wegnimmt? Ich hasse Gott. Wenn es ihn gibt, dann hasse ich ihn. Wenn ich das laut sage, fällt Tonja in Ohnmacht, obwohl sie gar nicht christlich ist. Aber wenn es einen Gott gibt, den Schöpfer der Menschen, dann hat er den Fehler in Antons Kopf eingebaut, das schwache Blutgefäß, die tickende Bombe. Anton war von Anfang an darauf programmiert, früh zu sterben. Wie gütig ist das? Dabei glaube ich eigentlich gar nicht an Gott. Auch wenn ich mir manchmal wünsche, dass es ihn gibt, damit ich auf jemanden wütend sein kann, ihm die Schuld in die Schuhe schieben kann.
Brennball kann man nicht hassen, meine ich zumindest. Aber fast. Tonja wird in die gegnerische Mannschaft gewählt. Ellen, Madeleine und Lovisa auch. Und Line. Emelie und Silja landen in meiner Mannschaft. Wir beginnen im Innenfeld. Mir ist das egal, eins ist so schlimm wie das andere. Ich versuche mir einzureden, dass es für Line noch schlimmer sein muss, weil sie noch unsportlicher ist als ich, aber das hilft mir auch nicht wirklich weiter.
Als Silja mit dem Schlagen dran ist, höre ich hinter mir Emelies gedämpfte Stimme: »Sie sollte mit dem Arsch schlagen, dann ist wenigstens sicher, dass sie trifft.«
Kichern in der Reihe. Ich weiß nicht, ob Silja den Kommentar gehört hat. Falls ja, lässt sie sich nichts anmerken. Sie nimmt ein rundes Schlagholz und wiegt den Ball in der linken Hand, ehe sie ihn in die Luft wirft und zuschlägt. Alle halten die Luft an, als der Ball wie eine Rakete davonsaust, und die innere Mannschaft vergisst, dass sie gerade noch über Emelies Scherz gelacht hat. Im nächsten Moment schreien alle wild durcheinander, während die Spieler an den Eckpunkten losdüsen. Alle erreichen das Ziel. Selbst Silja, obwohl sie sich nicht sonderlich beeilt. Ich lache und
Weitere Kostenlose Bücher