Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
Gemüse gestolpert, der gleich neben der Schwingtür steht. Nils Hand fasst fester zu, als er merkt, dass ich wackele.
»O je, pass auf! Hier steht überall was rum.«
Als er meine Hand loslässt, teste ich hektisch, ob sie verschwitzt ist. Scheint nicht der Fall zu sein. Feucht ist sie nicht, höchstens ein wenig kalt. Zwei Männer in schwarz-weiß karierten Hosen, langen Schürzen und weißen Hemden wuseln in der Küche herum. Aus den hochgekrempelten Ärmeln ragen behaarte Unterarme. Nils stellt mir die Männer als Dimitris und Grogorios vor, aber ich krieg nicht mit, wer wer ist.
Ein kleinerer Mann in blauem Hemd mit extrem lockigen, pechschwarzen Haaren winkt Nils zu. Ich erkenne ihn wieder, Nils’ Vater.
»Da bist du ja, Junge«, sagt er. »Iss was und bring deine Freundin mit!«
Nils wirft mir einen entschuldigenden Blick zu, aber ich habe nichts dagegen, als seine Freundin durchzugehen. Genauso wenig, wie ich etwas dagegen habe, mich an den Tisch mit der blau-weiß karierten Decke in der geräumigen Nische am hinteren Ende der Küche zu setzen. Nils’ Vater streckt mir die Hand entgegen und begrüßt mich.
»Ich heiße Kostas. Wir haben uns schon mal gesehen, oder?«
Ich nicke. »Vendela.«
»Das weiß ich wohl«, sagt Kostas fröhlich. »Nils erzählt viel von dir!«
»Papa!«, zischt Nils wütend, ehe er sich wieder zu mir umdreht. »Ich hab nur gefragt, ob es in Ordnung ist, dass du heute Abend kommst.«
Kostas lacht schallend und stellt eine Schüssel mit dampfend heißen Fleischklößen in roter Soße auf den Tisch.
»Esst, Kinder, esst!«, sagt er.
Dann schnappt er sich einen Notizblock und einen Stift und verschwindet durch die Tür ins Restaurant.
»Entschuldige!«, sagt Nils. »Manchmal ist er einfach nur peinlich.«
Ich grinse. »Macht doch nichts. Ich finde ihn lustig. Ich komm mir vor wie in Hochzeit auf Griechisch .«
Mein Einwurf macht Nils, wenn möglich, noch verlegener.
»Also, ich will damit natürlich nicht sagen …«, stammele ich.
»Schon in Ordnung«, sagt Nils. »Meine Familie ist tatsächlich ein bisschen so wie in dem Film. Es wimmelt nur so vor Brüdern und Cousinen und Tanten. Aber zum Glück leben die meisten von ihnen in Griechenland.«
»Genial«, sage ich. »Nimmst du mich irgendwann mal mit?«
Nils sieht mich an, und mir wird klar, dass er meine Frage ernst nimmt. Das ist mal wieder typisch, dass ein kleiner, harmlos gemeinter Scherz von mir voll nach hinten losgeht.
»Jederzeit … und total gern«, sagt er. »Aber wahrscheinlich willst du schon wieder nach Hause, bevor dich alle mit Wangenküssen begrüßt und dich gefragt haben, was dein Vater macht und ob wir uns verloben wollen.«
Soll ich jetzt lachen? Ich taste mich mit einem Lächeln vor und er antwortet mir auch mit einem Lächeln. Sein Blick ist bis in meinen Bauch zu spüren. Dunkles Knistern.
»Macht es dir Spaß, hier zu arbeiten?«, frage ich, um von Verlobungen und Hochzeiten wegzukommen.
Nils zuckt mit den Schultern. »Geht so. Immerhin werde ich bezahlt. Nicht üppig, aber ein nettes Extrataschengeld.«
»Und du kannst Mädchen umsonst ins Restaurant einladen«, sage ich und tue mir von den Fleischklößen auf.
»Mmh, aber nur in die Küche.«
»Da ist schließlich die Quelle des Essens, kann also nicht so verkehrt sein.«
»Nein, natürlich nicht.«
Wir essen, und mit einem Mal ist es ganz leicht, zu reden. Das Essen ist fantastisch. Es ist mir ein bisschen peinlich, dass ich noch einmal nachnehme, aber Nils scheint es zu freuen.
»Was machen deine Eltern eigentlich?«, fragt er.
Dann lacht er und sagt, dass er wohl doch nach der Familie seines Vaters schlägt.
»Mama ist Grafik-Designerin. Momentan arbeitet sie in einer Werbeagentur, aber eigentlich würde sie lieber Buchcover und so was gestalten. Jedenfalls alles lieber als Werbung. Papa arbeitet bei einer Versicherungsgesellschaft. So spannend wie Restaurantbesitzer ist das nicht.«
»Was heißt schon spannend«, sagt Nils. »Er hat wenigstens abends frei. Mein Vater nie. Jetzt spielt es keine so große Rolle mehr, aber als ich kleiner war, schon. Wenn alle anderen Jungs was mit ihren Vätern unternommen haben ...«
Ich nicke. »Ja, das verstehe ich.«
Ein langer, schlanker junger Mann mit blonden Haaren und der gleichen Aufmachung wie Nils kommt in die Küche und begrüßt überschwänglich die Köche. Nils schaut auf die Uhr.
»Jetzt geht’s los. Dann wollen wir mal. Magst du Eis zum Nachtisch?«
Ich bin pappsatt
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