Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
willst.«
»Wie das denn?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich kann versuchen rauskriegen, ob er wirklich nicht interessiert ist, was ich nicht glaube. Und wenn er interessiert ist, trete ich ihm in den Hintern, damit er endlich in die Pötte kommt. Nils ist echt nett, ganz bestimmt, aber ein Womanizer ist er nicht gerade.«
»Willst du die gute Fee spielen?«, frage ich lächelnd.
»So was in der Art. Ich wollte dich nur vorher fragen. Falls du plötzlich feststellen solltest, dass du mich eigentlich viel lieber magst oder so.«
Ich sehe ihn an. Macht er Witze? Ja, klar macht er Witze. Typischer Sven-Jargon, bestimmt.
»Ich habe Tonja auch schon auf Lukas angesetzt, aber die beiden haben offensichtlich Besseres zu tun. Ganz davon abgesehen, bin ich nicht sicher, ob Lukas und Nils sich überhaupt über so was unterhalten.«
Sven sieht mich amüsiert an und ich ziehe verlegen die Schultern hoch.
»Woher soll ich wissen, worüber Jungs reden, wenn sie unter sich sind«, sage ich.
»Ich kümmer mich drum«, sagt er. »Bis morgen.«
Ich nicke, und als er aufsteht und mein Zimmer verlässt, gehe ich hinterher, um ihm zuzuschauen, wie er die Schnürsenkel zubindet und sich lässig die Jacke anzieht. Wie die blonden Strähnen vor sein Auge rutschen, als er den Kopf dreht und mich anlächelt.
»Tschüs«, sagt er.
»Tschüs.«
Unglaublich, wie schwer schlafen ist.
Als hätte ich vergessen, wie man das anstellt. Gestern wusste ich es noch, aber jetzt nicht mehr. Die Bilder des Abends spulen in meinem Kopf vor und zurück, und ich ertappe mich mehrmals, dass ich mit einem dämlichen Grinsen im Dunkeln daliege.
Dabei müsste ich eigentlich beunruhigt und niedergeschlagen sein, weil ich mich noch immer nicht mit Tonja versöhnt habe und damit rechnen muss, dass diese Versöhnung auch nie stattfinden wird. Aber es gelingt mir, das alles erfolgreich aus meinem Bewusstsein zu verdrängen. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, natürlich habe ich mich ihr gegenüber mies verhalten, und selbstverständlich will ich nicht, dass sie böse auf mich ist, aber die kribbelige Spannung und überschäumende Freude in mir lassen keinen Platz für quälende Gedanken, die ich eigentlich haben sollte.
Und ich war noch nie wacher in meinem Leben.
Ich gehe in Gedanken alles immer wieder durch. Jedes Detail. Dinge, die er gesagt und wie er sie gesagt hat, sein Lachen und Lächeln und das Funkeln in seinen Augen. Schon merkwürdig, dass er sich um Nils kümmern will, denke ich. Was immer er da vorhat. Er ist wirklich witzig und nett. Und hübsch. Okay, hübsch ist nicht unbedingt der passende Ausdruck für einen Jungen, aber Sven ist hübsch. Auf eine maskuline Art. Sein Blick, sein Lächeln, wie er sich bewegt. Und morgen guck ich ihm beim Tanzen zu, danach spaziere ich dann an seiner Seite durch die Stadt ins Miranda. Und selbst, wenn das zu seiner Hilfsaktion gehört, Nils eifersüchtig zu machen, scheint er sich doch aus unerfindlichen Gründen in meiner Gesellschaft wohl zu fühlen. Hat er sich eigentlich verändert oder ich? Können Menschen sich von einem Tag auf den anderen so ändern?
Es wird zwei und drei Uhr und ich bin hoffnungslos wach. Bestimmt schlafe ich eine halbe Stunde vorm Weckerklingeln ein und darf mich dann todmüde und verquollen zur Schule quälen. Aber als der Wecker um Viertel vor sieben bimmelt, bin ich immer noch hellwach und ich stehe problemlos auf.
Papa sitzt mit einer Tasse Kaffee und der Morgenzeitung am Küchentisch. Glücklicherweise sind wir morgens alle keine Plaudertaschen. Morgenmuffel sind wir auch nicht direkt, einfach nur etwas nach innen gewendet. Deswegen bin ich auch ziemlich erstaunt, als Papa die Zeitung zusammenfaltet und weglegt, als ich mich auf meinen Platz setze. Er räuspert sich, als wollte er eine Rede halten. Aber wahrscheinlich ist es nur ungewohnt für ihn, so früh zu sprechen.
»Der Junge, der dich gestern besucht hat, das war Sven Ernerius, oder?«
Ich nicke abwartend.
»Du weißt, dass Mama und ich uns normalerweise nicht einmischen, mit wem du befreundet bist. Bislang gab es dazu ja auch keinen Anlass, aber im Moment machen wir uns doch etwas Sorgen. Erst Silja, die in einer Pflegefamilie wohnt, und dann der Sohn von Ernerius, der euch beide mit zu dieser Alkoholorgie bei einem viel älteren Typen geschleppt hat …«
»Der sein Cousin ist«, schiebe ich ein. »Und das war keine Alkoholorgie! Okay, ich hab zu viel getrunken, das war saudämlich, und ich
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