Ich Will Ihren Mann
Schokoladenkuchen.
25
Lilian wälzte sich im Bett herum und versuchte krampfhaft, eine bequeme Lage zu finden. Es war sinnlos. Sie konnte sich einfach nicht entspannen. Sie richtete sich auf, knipste das Licht an und blinzelte nach der Uhr. Es war schon zwei vorbei. David war noch immer nicht nach Hause gekommen.
Sie spürte, wie es in Armen und Beinen zu kribbeln begann, wie die Angst in ihr hochkroch und ihr die Luft abzuschnüren drohte. Nur jetzt nicht den Kopf verlieren, ermahnte sie sich und wünschte, sie hätte eine von Bethsweißen Tabletten, die so scheußlich nach Kalk schmeckten. Leg dich wieder hin, befahl sie sich, es wird alles gut. Ihr Körper gehorchte ihrer inneren Stimme, sie legte den Kopf aufs Kissen, atmete mehrmals tief durch und versuchte, sich zu entspannen. Locker, ganz locker. David würde bestimmt gleich kommen. Wahrscheinlich war er sinnlos betrunken, aber er würde sie um Verzeihung bitten. Er wird nicht die ganze Nacht wegbleiben. Bitte, bitte, lieber Gott, laß ihn nicht die ganze Nacht wegbleiben. Auf einmal verkrampfte sich ihr Körper wieder. Das Kribbeln in den Fingerspitzen und in der Magengrube kehrte zurück. Locker, ganz locker, wiederholte sie. Er wird heimkommen. Er wird's nicht so weit treiben, die ganze Nacht... Nein, er würde mich nicht so verletzen. Er macht 'ne schwierige Phase durch, und ich helfe ihm nicht grade, damit fertig zu werden. Aber er wird drüber wegkommen. Wir werden beide drüber wegkommen. Er wird nicht die ganze Nacht fortbleiben. Er muß doch wissen, daß ich hier liege und mich quäle, weil ich nicht aufhören kann, an jene Nacht zu denken, damals, vor Jahren, als er nach einem anderen Streit ein anderes Haus verließ und betrunken und hilfesuchend vor einer anderen Tür auftauchte. Meiner Tür.
Ihr Atem kam kurz und stoßweise. Sie riß die Augen auf und hob den Kopf. Es hatte keinen Sinn, sich noch länger etwas vorzumachen. Sie konnte sich nicht entspannen, und sie würde auch keinen Schlaf finden. Sie stand auf, ging hinüber ins Arbeitszimmer und schaltete den Fernseher ein. Der Bildschirm flackerte einen Moment, und dann blickte sie in Cary Grants jungenhaftes Gesicht. Sie erkannte den Film sofort: »Ich war eine männliche Kriegsbraut«. Ein wundervoller, ein lustiger Streifen. Sie rannte ins Schlafzimmer, zog den dicken Pullover über, lief zurück und ließ sich in den unförmigen Ledersessel fallen. Mit angezogenen Knien verlor sie sich in einer Welt, in der selbst bewaffnete Soldaten Unschuldslämmerwaren, in der die grellen Farben der Realität ihre Wirkung verloren und verblaßten vor der klaren Schwarz-Weiß-Trennung des Scheins.
Sie versuchte mit aller Macht, sich auf Cary Grant und Ann Sheridan zu konzentrieren, und wehrte sich nach Kräften dagegen, die Gestalt zu beachten, die schemenhaft im Hintergrund auftauchte, allmählich klarer wurde, bis sie schließlich mitten im Bild stand und alle anderen Figuren überschattete, so als hätte der Kameramann unvermittelt eine Großaufnahme eingeblendet. Unfähig, sich abzuwenden oder die Automatik zu bedienen und umzuschalten, saß Lilian da und sah zu, wie das Bild langsam Wirklichkeit wurde.
Sie beobachtete Nicole Clark, die schlafend im Bett lag. Die andere drehte sich um und vergrub den Kopf im Kissen, das noch nach David roch. Lilian spürte, daß Nicole träumte, so wie sie selbst damals, in jener Nacht, als eine Kapelle mit Marschmusik durch ihren Traum gezogen war. Die Trommler schlugen einen lauten Wirbel, so laut, daß sie erschreckt die Augen öffnete. Sie kam langsam zu sich, merkte, daß sie wach war, doch das Trommeln hielt an. Jetzt wechselte das Bild. Nicole erhob sich vom Bett, ging zur Tür und verwandelte sich auf einmal in Lilian, die ans Fenster taumelte. Was war los? Wer lärmte da draußen auf der Straße? Es war kalt. Es war mitten in der Nacht! Auf einmal mischten sich andere Geräusche mit den Trommelschlägen. Ein wütendes Kläffen. Der große Dobermann bellte aufgeregt, und eine schrille Frauenstimme schrie dazwischen: »Was ist da los? Scheren Sie sich weg, oder ich hol' die Polizei!«
David rief ihren Namen. »Lilli!« verlangte er. »Wo ist Lilli?«
»Hauen Sie ab, oder ich ruf die Polizei, haben Sie verstanden?!« brüllte ihre Wirtin durch die Tür. »Nein, bitte warten Sie!« rief Lilian und rannte die Treppe hinunter. »Das ist für mich.«
»Aber nicht um drei Uhr morgens!« »Bitte, Mrs. Everly, merken Sie denn nicht, daß er
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