Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
handelt. Wenn es etwas Ernstes ist, hat unsere Firma einen Ruf …«
»Es ist was Ernstes, Ms Beecham«, unterbrach Daniels sie. »Eine Angelegenheit, in der wir uns beeilen müssen, also beantworten Sie bitte unsere Fragen. Sie müssen keine Details kennen, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Ist Harris jetzt hier?«
Cynthia Beecham sah auf die Uhr. »Er müsste an der Laderampe sein.«
»Sie müssen ihn aufhalten, ohne ihm zu sagen, warum«, sagte Daniels. »Ich muss sofort mit ihm sprechen.«
Cynthia Beecham erledigte den Anruf. Sie gingen vom Konferenzzimmer zum Laderaum, einem riesigen, hangarartigen Gebäude, das in verschiedene, alphabetisch bezeichnete Areale aufgeteilt war. In einer Ecke verteilte ein älterer Mann Aufträge an drei Fahrer, von denen einer – Cynthia Beecham zufolge – der Mann war, mit dem sie sprechen wollten.
Keiner davon war Townsend.
Cynthia Beecham blieb bei der Gruppe stehen. »Ist es Ihnen recht, wenn ich ihn hole? Er ist ein hervorragender Arbeiter, und ich möchte ihn für unschuldig halten, bis Sie mir das Gegenteil sagen.«
»Wir warten hier«, sagte Daniels.
»Mark?« Die geschäftsführende Managerin ging weiter, wobei ihre hohen Absätze auf dem Zementboden klickten. »Kann ich Sie mal sprechen?«
Harris drehte sich um, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich, als er bemerkte, dass sie nicht allein war. Als sie ihn von den anderen wegführte, konnte Daniels sein offensichtliches Unbehagen nicht übersehen. Cynthia Beecham führte ihn über den Hof in ein Nebenbüro: ein kleiner, fensterloser Kasten, nicht größer als eine Gefängniszelle. Mark Harris wich Daniels’ Blick aus, als seine Chefin den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss, nachdem sie ihm die schlechte Nachricht überbracht hatte.
Daniels kam sofort zur Sache. »Wissen Sie, warum wir hier sind?«
Harris zuckte mit den Schultern. »Ich kann’s mir denken.«
»Dann sagen Sie’s uns.« Gormleys Ton war harsch.
»Ich wollte ihr nicht wehtun …«
Seine Worte hingen in der Luft. Daniels war leicht übel, gleichzeitig fühlte sie sich aufgeregt. Dem Mann stand die Schuld ins Gesicht geschrieben, und sie konnte es kaum erwarten, mehr zu hören.
»Wem?«, fragte sie. »Wem wollten Sie nicht wehtun?«
Harris blickte zu Boden.
Gormley wurde ungeduldig. »Mr Harris?«
Harris hob den Kopf. »Rachel. Rachel Somers.«
»Wo ist sie?« Daniels musste sich zusammenreißen, um nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Nichts!« Jetzt sah Harris wirklich besorgt aus. »Nichts, ich schwöre es!«
»Wir haben einen Zeugen, der sie gestern Morgen in Ihrem Führerhaus gesehen hat.« Daniels starrte den Mann an, ließ ihn wissen, dass er in großen Schwierigkeiten steckte. »Seitdem hat niemand mehr etwas von ihr gesehen oder gehört. Und wir glauben zu wissen, warum.«
»Da irren Sie sich aber gewaltig«, blaffte Harris zurück. »Ich weiß nicht, was sie Ihnen erzählt hat, aber ich hab nur mit ihr geredet, sonst nichts. Das war alles, ich schwör’s. Danach hab ich sie auf dem Weg nach Northallerton in Durham abgesetzt.«
»Aber sicher.« Gormley blitzte ihn an. »Und das sollen wir Ihnen glauben?«
»Glauben Sie, was Sie wollen, das ist die Wahrheit!« Harris ging plötzlich in die Defensive, streckte die Brust raus, als wäre er bereit zum Kampf. »Hey, ich weiß nicht, was Sie glauben, was ich gemacht hab, aber ich sag jetzt gar nichts mehr, bevor ich nicht mit einem Anwalt gesprochen hab.«
»Gut.« Daniels legte ihm Handschellen an. »Hank, schließ die zu und pack ihn in den Wagen.«
35
Die Fahrt zurück nach Newcastle war ungemütlich. Sie schien ewig zu dauern, war dann aber doch endlich vorbei. Riley Archers Informationen waren genau richtig gewesen. Daniels fand, er verdiente ein Lob und würde es auch von einem Richter bekommen, wenn sie etwas zu sagen hatte, falls der Fall jemals vor ein Gericht käme. Aber so weit waren sie noch lange nicht.
Sie sah über die Schulter und fragte sich, ob der Mann auf dem Rücksitz für Amy Graingers Tod und Jessicas Verschwinden verantwortlich war. Ganz zu schweigen von Rachel. Ihr Verdächtiger hatte seit seiner Festnahme nichts mehr gesagt. Harris erwiderte ihren Blick unter seiner roten Mütze hervor. Seit über zwei Stunden war nicht ein Wort mehr über seine Lippen gekommen, und sie war erleichtert, als sie endlich auf den Parkplatz einbogen.
Gormley parkte so dicht an der Hintertür, wie er konnte.
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