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Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten

Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten

Titel: Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Hannigan
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sie überhaupt noch zu verstehen.
    »Es tut mir Leid, ich kann wirklich nicht.«
    Sie machte eine Pause, und wir konnten alle an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie tief nachdachte. Also verhielten wir uns ganz still, um ihr ein bisschen Zeit zu geben.
    »Vielleicht«, sagte sie, als sie aufsah, und zwang sich zu einem Lächeln, »könnten wir ja einen Gastleser engagieren, nur für heute?«

    Also, es war natürlich schwer, sich statt Miss W. jemand anderen als Vorleser vorzustellen, und wir saßen einen Moment einfach nur da. Dann fing einer nach dem andern an mit dem Kopf zu nicken und alle schauten sich an, nickten weiter und lächelten, denn niemand wollte, dass die Vorlesezeit ausfiel, selbst die nicht, die meistens schliefen.
    Und nach ein paar Minuten schauten sie Miss W. an, nickten gewichtig mit dem Kopf, streckten die Brust vor und sagten lauthals: »Ich finde, das ist eine gute Idee.«, oder: »Ja, wir wollen heute einen Gastleser.« Denn sie merkten plötzlich, dass vielleicht sie der Gastleser und Starschüler des Nachmittags werden könnten. Sie wollten Miss Washington unbedingt in Erinnerung rufen, dass sie nicht nur hervorragende Vorleser seien, sondern auch wunderbare Menschen.
    Vor allem Calvin Faribault, der Angeber, der tatsächlich die Hand hob und sich - ich wusste es einfach - aus reiner Freundlichkeit seines großen, fetten, eingebildeten Herzens freiwillig meldete.
    Aber Miss W. schaute nicht mal in Calvins Richtung. »Ida, da ich weiß, dass du das Buch schon gelesen hast«, sagte sie mit so schwacher Stimme zu mir, als ob es ihr letzter Wunsch wäre, »könntest du heute bitte das erste Kapitel lesen?«
    Natürlich war ich so schockiert und verlegen und saß mit sperrangelweit offenem Mund da, sodass ich kaum mitbekam, wie mich alle andern im Raum mit ebenfalls weit offenen Mündern anstarrten. Wörter in die Musik einer Geschichte zu verwandeln, wie es Miss W. gelang,
war das, was ich mehr als fast alles andere auf der Welt tun wollte. Aber eine Geschichte laut vor der Klasse an der Ernest-B.-Lawson-Grundschule vorzulesen, war so ziemlich das Letzte, was ich in meinem ganzen Leben tun wollte. Ich war so verwirrt, ob ich nun glücklich oder entsetzt sein sollte, dass ich einfach nur dasaß.
    Miss W. stand auf, kam zu mir herüber, schob ihr Gesicht neben mein fassungsloses und erstarrtes und flüsterte: »Ida, ich brauch deine Hilfe.«
    Und da saß ich nun, wieder von dieser Frau hypnotisiert. Ich war wie ein Hund, der selbst dann Miss W.s Stock holen würde, wenn dieser in einem Schlangenloch unter einem Dornbusch steckte, der gerade von einem Stinktier angesprüht worden war.
    Ich sah Miss W. an, inzwischen nur noch entsetzt, denn ich wusste, ich würde es tun, aber ich wusste nicht, wie.
    »Ich weiß, du wirst das großartig machen«, krächzte sie.
    Und im Kopf trottete ich schon davon und hielt nach dem Stock Ausschau, obwohl ich den Gestank riechen konnte und mich die Dornen bereits stachen.
    »Möchtest du hier sitzen oder auf meinem Stuhl?«, fragte Miss W.
    »Ich sitz hier«, murmelte ich.
    Sie legte das Buch auf mein Pult, holte ihren Stuhl und setzte sich neben mich, dann lehnte sie den Kopf zurück und schloss die Augen.
    »Wenn du dann so weit bist, Ida«, knäkste sie.
    Miss W. hatte mir schon eine ganze Menge Bücher zu lesen gegeben, denn ich brauchte nur ein oder höchstens
zwei Tage, bis ich durch war, wenn ich nicht gerade mit meinem »Erschreck die Leute, die unser Land gekauft haben«-Projekt beschäftigt war. Alexandra Potemkin und das Spaceshuttle zum Planeten Z war jedoch bis jetzt mein Lieblingsbuch. Und ich glaube, auch das Lieblingsbuch von Rufus, denn er förderte bei jedem Kapitel, das ich las, ungefähr einen Liter Spucke zutage.
    Es kribbelte in meinen Fingern, als ich daran dachte, das Buch aufzuschlagen, die Wörter laut zu lesen und meine Stimme zu heben und zu senken und rau und sanft klingen zu lassen, so wie ich es in meinem Zimmer tat. Aber meine Beine zitterten, als wären sie draußen in einem Schneesturm, und mein Magen sprang erst vor und dann wieder zurück, als ich an all die Leute dachte, die mich ansahen und meine Stimme hören würden.
    Ich schloss die Augen, legte meine rechte Hand oben auf das Buch und fuhr leicht über den Deckel. Es war kühl und glatt wie ein Stein vom Grund des Bachs und es beruhigte mich. Da drinnen steckt eine komplette andere Welt, überlegte ich, und dort will ich sein.
    Ich öffnete das Buch und machte mich

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