Ihr Kriegt Mich Nicht!
hat?«
»Ja. Kommst du mit zum Baden?«
Mik nickte mit vollem Mund. Die heiße Schokolade troff ihm übers Kinn. Doch dann fiel ihm ein: »Badehose?«
Lena sorgte für eine Badehose. Sie nahm die schmutzigen, zerrissenen Jeans und schnitt sie mit der Schere direkt über den Knien ab. Im Laufe des Tages würde sie ihm neue Kleider besorgen.
Der Fluss hatte keinen richtigen Badestrand mit Sand, wo man langsam ins Wasser waten konnte. Stattdessen neigte sich der Wald über einen Steilhang voller Wurzeln und Geröll, und das Wasser wurde sofort tief und schwarz. Pi zog sich unter ihremHandtuch um, mit einem komplizierten Arm-und Beingeschlinge, damit Mik sie nicht versehentlich irgendwo nackt zu sehen bekam.
»Man kann einfach von der Kante aus reintauchen«, sagte Pi.
»Aha«, sagte Mik und zog Schuhe und Pulli aus.
Er sah sie an und sie ihn. Sie lächelte und zappelte gebückt und auf einem Bein stehend unter ihrem Handtuch herum.
»Bleibst du jetzt hier?«
»Ja.«
»Gut«, sagte Pi und ließ das Handtuch auf den Boden fallen.
»Viele Ameisen gibt’s hier«, sagte Mik. »Und Stechmücken.«
»Los, spring rein!«
»Nein, ich warte noch.«
Ein langer, grober Baumstamm trieb ein Stück vom Ufer entfernt vorbei.
»Den brauchen wir«, sagte Pi.
»Wen?«
»Den Baumstamm. Komm!«
Sie machte einen Kopfsprung, elegant und leicht. Es gab kein großes Platschen, nur ein kurzes Aufschwappen, dann verschwand sie unter der Wasseroberfläche und glitt weit hinaus, bevor sie wieder auftauchte. Pi schüttelte den Kopf, und aus ihren Haaren spritzten sonnenglitzernde Tropfen. Mit ein paar raschen Schwimmbewegungen hatte sie den Baumstamm erreicht und hängte ihre Arme darüber.
»Komm schon, Mik! Den hier krieg ich nicht allein ans Ufer. Spring schon!«
Die Ameisen krochen über seine Füße, er trat auf der Stelle.
»Sei keine Flasche. Es ist überhaupt nicht kalt. Man gewöhnt sich schnell daran.«
Pi kletterte auf den Baumstamm und schaffte es balancierend,auf die Füße zu kommen. Sie fuchtelte mit den Armen und fiel mit einem Platsch ins Wasser. Lachend schnaubte sie aus der Nase.
»Los, hilf mit! Es ist nicht kalt. Der Baumstamm ist wichtig.«
Mik schnippte ein paar Ameisen ins Wasser. Sie schwammen auf der Oberfläche.
»Wir müssen ihn an Land bringen.«
Pi kletterte wieder auf den Stamm. Der Stamm drehte sich, und ihre Beine gingen über Kreuz. Sie fiel. Platsch!
»Wie tief ist es?«
»Ein paar Meter. Fünf vielleicht. Bin noch nie ganz unten gewesen. Oskar schon.«
»Okay.«
Mik sprang. Er zappelte, kraulte, wand sich und sank. Es wurde schnell dunkler und kälter. Seine Ohren schmerzten, der Druck nahm zu, und plötzlich hörte er den anschwellenden Ton, den Gesang der Wale. Der Ton war im Kopf. Es war sein eigener Ton im Ohr, der von dem Druck verstärkt wurde. Hatte er einen Walfisch im Kopf? War das möglich?
Pi kam zu ihm herunter. Sie wurde heller und heller. Ihr Gesicht war ganz nah, mit wogenden Haaren. Es schwebte im Wasser inmitten goldener Sonnenstrahlen. Seine Lungen verkrampften sich, aber er bekam keine Panik. Es war schön.
Pi schüttelte den Kopf, verzog das Gesicht und schlang die Arme um ihn. Sie stiegen an die Wasseroberfläche.
Mik hatte Wasser geschluckt und spürte Stiche und Klopfen in der Stirn. Pi legte ihr Handtuch über seine Schultern.
»Du kannst nicht schwimmen. Warum hast du das nicht gesagt? Warum bist du ins Wasser gesprungen?«
»Weil ich nicht doof und behindert wirken wollte.«
»Also bist du lieber reingehüpft. Und das ist kein bisschen doofund behindert, wie? Fünf Meter tief. Hast du an ein Wunder geglaubt, oder was?«
Filip und Oskar kamen zwischen den Bäumen gerannt. Oskar überschüttete Mik mit Fragen. Würde er jetzt hier wohnen? Wo war er gewesen? Mik sagte die Wahrheit. Er war vor den Plagegeistern geflohen. Oskar fragte ihn tief beeindruckt: »Hast du einen Fluchttunnel gegraben?«
»Nein, ich war bloß nachts eingesperrt.«
Filip sah ungläubig aus und stellte sich unnötig nahe neben Pi.
»Dann ist es auch keine Kunst zu fliehen«, sagte er säuerlich. »Das kann jeder.«
»Der Baumstamm!«, schrie Pi. »Er treibt davon. Wir müssen ihn holen.«
Pi, Oskar und Filip sprangen ins Wasser, schwammen rasch hinaus und begannen eine mühselige Bergungsaktion. Pi dirigierte, und der Stamm bewegte sich sachte landeinwärts. Mik fühlte sich total wertlos, saß am Ufer und schnippte Ameisen ins Wasser. Oskar und Filip wollten wissen,
Weitere Kostenlose Bücher