Ihr letzter Tanz
wollte Shannon von Quinn wissen, während sie ihn zu einem Stapel CDs führte.
„Weil ich gerne die irische Salsa-Sensation der Stadt sein möchte“, erwiderte er ironisch.
„Die Wahrheit.“
„Geschwisterneid. Doug ist so verdammt gut, dass es mich verrückt macht.“
„Die Wahrheit.“
„Es ist das Beste, was ich machen kann, um hier zu sein.“
„Es ist auch das Teuerste, was du machen kannst.“
„Stimmt“, pflichtete er ihr bei. „Aber wenn ich mich lange genug hier aufhalte, komme ich hinter all die düsteren Geheimnisse, die hier verborgen sind.“
„Oh ja, als ob wir düstere Geheimnisse hätten“, gab sie bissig zurück. „Wir haben kein Privatleben, und das ist die traurige Wahrheit.“
„Lara hatte ein Privatleben. Ein ziemlich reges sogar.“
Shannon wartete, bis Justins Salsa-CD stoppte, dann legte sie einen einfachen Walzer ein und drückte auf Wiedergabe. „Komm“, wies sie Quinn an. „Mitzählen. Es ist ganz einfach. Eins, zwei, drei … eins, zwei, drei …“
Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass er den Takt tatsächlich hielt.
„Nicht schlecht“, kommentierte sie.
„Den habe ich von meiner Mom gelernt, als ich klein war“, gab er zu. „Aber du machst einen sehr unglücklichen Eindruck darüber, dass du mich unterrichten musst. Also lass uns reden.“
„Kannst du reden und mitzählen?“ fragte sie.
„Natürlich!“
„Ist ja gut, ich wollte dir nicht zu nahe treten! Viele Leute müssen zu Anfang mitzählen. Erst dann lernen sie, sich während der Schritte auch zu unterhalten.“
„Wo fangen wir an? Du weißt, wer ich bin und was ich mache. Also bist du jetzt an der Reihe. Warst du mit Lara irgendwann an dem Tag allein, an dem sie starb?“
Shannon starrte ihn an und begann zu verstehen, dass er weitaus besser tanzen konnte, als er sie hatte glauben machen. Vielleicht galt das aber auch nur für den Walzer. Auf jeden Fall war er durchaus in der Lage, sich über die Tanzfläche zu bewegen und sie gleichzeitig zu verhören.
„Nein“, antwortete sie schließlich. „Ich verstand mich gut mit ihr. Wenn sie ins Studio kam, schrieb ich ihr einen Honorarscheck aus, wir unterhielten uns, ich gratulierte ihr zu ihrem jüngsten Sieg. Aber wir waren nicht befreundet, und wir suchten auch nicht die Gesellschaft des anderen. Also – ich war nicht mit ihr allein.“
„Hast du sie vielleicht mit jemandem alleine reden sehen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe sie nicht beobachtet.“
„Und was hat dich dann an dem Tag so sehr aufgewühlt?“
„Nichts“, sagte sie und atmete tief durch.
„Dann hast du gelogen?“
„Nein, ich habe nicht gelogen“, sagte sie und fuhr zögerlich fort: „Ich war verdammt wütend auf dich.“
„Nicht zu fassen.“ Sein Blick war scharf und stechend, kühl und distanziert. Er war jetzt nicht ihr Schüler, sondern der Polizist, der sie verhören wollte. Und er war gut darin – so gut, dass sie das Gefühl hatte, alles zu sagen, was sie wusste. Schließlich hielt sie sich vor Augen, dass er ein Privatdetektiv war, kein Polizist.
Ein Cop war er aber mal gewesen. Vielleicht hatte er gehofft, als Privatdetektiv mehr Geld zu verdienen. Es kam ihr vor, als würde sie mit Eliot Ness tanzen.
„Sag es mir“, hakte er nach. „Sag es mir, und sag mir auch, warum du es mir bislang nicht erzählt hast.“
„Weil es eigentlich gar nichts war“, beteuerte sie.
„Das entscheide ich.“
„Also gut. Als Lara tanzte, kam ein Kellner zu mir und sagte: ,Du bist die Nächste.‘“
„,Du bist die Nächste‘?“ wiederholte er.
„Ja, deshalb bin ich … na ja, ich nahm an, dass er mich mit jemandem verwechselt hatte. Ich war nicht im Wettbewerb, ich konnte nicht die Nächste sein. Aber genau das machte mich anschließend so nervös. ,Du bist die Nächste.‘ Das klang so, als müsste ich als Nächste sterben. Ich nahm an, ich hätte das nur wegen Laras Tod so völlig falsch aufgefasst.“
„Du solltest nie einfach irgendetwas annehmen. Bist du sicher, dass es sich um einen Kellner handelte?“
„Er war wie ein Kellner gekleidet.“
„Okay, ich kümmere mich darum“, sagte er.
„Darum kümmern? Wie willst du denn herausfinden, wer an dem Abend überhaupt als Kellner eingesetzt war? Ach, vergiss meine Frage, du machst das ja beruflich.“
Die Musik war zu Ende, und Justin legte wieder seine Salsa-CD ein. Shannon entschied, ihr Temperament zu zügeln. Quinn war schließlich nicht ihr Feind, sondern er war auf der Suche
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