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Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Titel: Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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machten die beiden kaum Krach, und Davey bekam schnell genug von der Playstation. An der Rampe hatte Em Davey mit finsterem Gesicht gesehen, während Shane skatete. Es war, als sei Davey ein älterer Mensch geworden, der in den Körper eines Jungen versetzt worden war, und Em stellte sich vor, dass sich irgendwo in diesem oder im nächsten Universum eine Ehefrau mittleren Alters fragte, warum ihr Mann urplötzlich so auf Grand Theft Auto abfuhr und sich über seine eigenen Fürze halb totlachte.
    Em kochte und spülte ab, sie putzte das Badezimmer. Sie öffnete dem Arzt oder den Reportern oder der Polizei oder den Nachbarn mit Blumen und Kuchen die Tür und sorgte dafür, dass immer Kleingeld für den Stromautomaten da war. Die Rattenfänger-Eltern kamen vorbei, und Em machte für alle Tee, während sie der Reihe nach in Tränen ausbrachen.
    Während ihre eigene Familie ihren Schmerz nicht zur Kenntnis nehmen wollte, stellte ihn hier niemand in Frage. Für die anderen war klar, dass sie genauso litt.
    Sie lernte, nicht auf die Fotografen zu achten, die jeden Tag ihren Namen riefen, wenn sie kam, und »Kein Kommentar, danke« zu Reportern zu sagen, die ihr unverschämte Fragen stellten, um sie zu provozieren. »Ist Steven dein Geliebter?«, »Bist du schwanger?«, »Betest du für Steven?«, »Glaubst du, er ist tot?«
    Die Schule war vergessene Vergangenheit, und ihr eigenes Zuhause war lediglich eine Unterbrechung ihrer emsigen Wache. Manchmal ging sie nach oben und legte sich auf Stevens Bett und dachte daran, wie sie dort mit ihm zusammen gewesen war. Wie ängstlich sie gewesen war, wie erregt. Es war schwer, sich daran zu erinnern, wenn es jetzt einfach nur so traurig war, dort zu sein. Manchmal durchstöberte sie seine Sachen. Sie zog das Liverpool-Trikot mit seinem Namen auf dem Rücken an; sie wusste nicht, warum er es behielt, es war ihm doch viel zu klein. Sie durchwühlte seine Schultasche und las seine Aufsätze – sauber geschrieben und gut aufgebaut. Sie ging seine Sammlung alter Bücher durch – Fünf Freunde machen eine Entdeckung , Der Wind in den Weiden und Methodologie bei Serienmorden . Sprechende Tiere und Psychopathen wohnten Seite an Seite auf dem Bücherbord.
    Manchmal erwähnten Lettie und Nan Onkel Billy – den Jungen, dessen Foto in Stevens Zimmer stand.
    Er war nicht von einem Auto überfahren worden, er war ermordet worden.
    Zuerst war Em wütend, dass Steven sie angelogen hatte. Doch indem sie nichts fragte und allem zuhörte, wurde sie nach und nach mit der Geschichte der Familie vertraut. Eine Geschichte von Verlust, von Schrecken und Überleben. Eine Geschichte, in der Steven um Haaresbreite ein Opfer geworden wäre, stattdessen jedoch der Held war. Ihre eigenen Familiengeschichten – der Orden eines Urgroßvaters im Krieg, eine Tante, die der Queen vorgestellt worden war – erschienen dagegen hoffnungslos alltäglich.
    Ohne bestimmten Grund, den sie in Worte hätte fassen können, hatte Em immer geglaubt, Steven sei etwas Besonderes.
    In seiner Abwesenheit erfuhr sie, wie recht sie damit hatte.
    Steven tauchte durch einen rauschenden Tunnel aus Lärm und Angst aus dem Schlaf auf. Als er wach wurde, saß er bolzengerade da, eine Hand gegen die Brust gepresst, wie ein alter Mann, der einen Herzanfall hat.
    Das Geschrei kam von Charlie Peach. Normalerweise so ruhig und fügsam, tobte Charlie jetzt in blinder Panik in seinem Käfig.
    Sogar Jonas Holly sah Charlie zu – die Augen weit aufgerissen und wachsam.
    Charlie wusste, dass er Theater machte, und Theater machen war etwas Schlimmes, doch ausnahmsweise war ihm das egal. Er hielt sich die Ohren zu, kniff die Augen zu und versuchte, vor dem Geräusch wegzulaufen, warf sich blindlings gegen den Maschendraht seines Käfigs, kam taumelnd wieder auf die Beine und rannte abermals geradewegs in den Zaun. Wieder und wieder, den Mund weit aufgerissen. Kaum dass er zwischen panischen, gellenden Schreien Atem holte.
    »Kein Fleisch! Kein Fleisch!«
    Steven zeigte auf die Knochen in Charlies Zwinger und versuchte, ihn auf sich aufmerksam zu machen. »Da ist doch dein Fleisch, Charlie. Es ist alles okay. Da liegt es doch.«
    Charlie war zu verstört, um ihn zu hören.
    Der Huntsman rannte den Fußweg hinunter, schob den Flachbettkarren rumpelnd und polternd vor sich her und tastete nach dem Schlüssel – seine grünen Wollhandschuhe machten es ihm schwerer als sonst. Von der Strumpfmaske zusammengedrückt, war sein Gesicht so ausdruckslos

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