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Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Titel: Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Jungen.
    »Und warum isst du deins nicht?«
    »Ich esse kein Fleisch«, erklärte Jonas ihm geduldig zum fünfzigsten Mal.
    »Ich esse auch kein Fleisch«, verkündete der Junge. Er trat nach einem der Knochen und quietschte bei dem Schmerz in seinen Zehen auf. Der Knochen kullerte über den Boden und prallte rasselnd gegen den unteren Rand der Tür.
    Charlie setzte sich auf den Rand seines Bettes und schniefte. »Hab mir den Zeh wehgetan«, sagte er mit einer ganz kleinen Stimme.
    Steven wandte sich von der Wand ab und deutete mit einem Kopfnicken auf Charlie. »Ich glaube, er hat Angst, das Zeug zu essen.«
    »Warum denn?«
    »Wegen dem Fleisch. Verstehen Sie?«
    »Nein.«
    Steven seufzte. »Als der Hubschrauber über uns rübergeflogen ist. Er hat uns in das Fleisch gesteckt, das in dem kleinen Raum hängt. Wissen Sie noch?«
    Jonas sah so verwirrt aus, dass Steven fragte: »Wo waren Sie denn?«
    Jonas furchte die Stirn. Wo war er gewesen?
    Der Hubschrauber, das kalte Platschen, der Schlag gegen seine Beine, das scharfe Pieken auf seiner Brust und Lucy, die über ihm schwebte …
    »Er hat mich unter Wasser gedrückt.«
    Steven blinzelte. »Wieso denn das?«
    Jonas zuckte die Achseln. Er hatte keine Ahnung.
    Doch jetzt, da er sich an den Schock des Wassers erinnerte, fielen Jonas auch andere Dinge wieder ein. Nicht alles, nur Bruchstücke. So klein zu sein, wie er von dem Geruch ganz benommen war, wie sein Arm im Griff des Hunts mans schmerzte. Beton, der ihm die Knie aufschrammte. Er erinnerte sich an die jähe, bittere Dunkelheit, an die Kettenschlinge, die ihn nach oben zog, und an das Schwere, das sein Gesicht streifte … etwas Schweres, Kaltes …
    Es war doch ganz offensichtlich.
    »Kälte!«, stieß er hervor. »Die Fleischkammer ist kalt, und das Wasser auch!«
    Steven sah ihn immer noch verständnislos an.
    »Wärmebildkameras. In dem Hubschrauber.«
    Stevens Mund öffnete sich in jähem Begreifen. Sie hatten doch alle schon Wärmesuchbilder gesehen, im Fernsehen! Grellweiße Umrisse mit Armen und Beinen, die versuchten, sich in Büschen zu verstecken, oder vom Tatort fort über Wiesen rannten, während ihre Körperwärme den Jägern über ihnen als Leuchtfeuer diente.
    Jonas sah es jetzt ganz deutlich vor sich. Wenn der Hubschrauber oder die Suchmannschaften kamen, wurden die Kinder betäubt und geknebelt und in tote Kühe oder Pferde gestopft, bis die Luft wieder rein war. Bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um. Kein Wunder, dass der arme Charlie durchgedreht war, als er die Rotoren gehört hatte.
    Wie viele Male hatten sie das schon durchgemacht? Er dachte an den lange zurückliegenden Tag des Sucheinsatzes, an das trockene Gras, das flüsternd seine Beine gestreift hatte, an den Geruch von Heidekraut und Sonnencreme und an den Hubschrauber, der über ihnen dröhnte und kam und ging. Bob Coffin hatte mit den anderen gesucht. Das hieß, Pete und Jess hatten den ganzen Tag in den kalten, klebrigen Kadavern gesteckt, während Hilfe so dicht an ihnen vorbeigekommen war. Und der Polizeihelikopter hatte jedes Mal neue Qualen ausgelöst, wenn er aufgestiegen war.
    Jonas staunte, dass diese Kinder jetzt hier direkt vor ihm hocken, »Ich sehe was, was du nicht siehst« spielen, Gänseblümchenketten machen, singen und Gras für ihn sammeln und nett zueinander sein konnten, und das mitten in einem ganz realen Albtraum. Wie machten sie das?
    Nur Charlie ging allmählich aus den Fugen. Er verfügte weder über die sprachlichen Möglichkeiten noch über den Intellekt, um mit dem fertigzuwerden, was um ihn herum geschah. Entweder er war fröhlich und überdreht, oder er weinte; immer öfter war es Letzteres. Im Augenblick greinte er, wie ein Zweijähriger es tut, wenn er eine Mahlzeit oder seinen Mittagsschlaf versäumt hat.
    »Hey, Charlie«, rief Pete. »Wollen wir singen?«
    »Nein.«
    »Okay. Häschen in der Grube saß und schlief, saß und schlief. Armes Häschen, bist du krank …«
    Kylie stimmte ein und dann die anderen, doch Charlie hockte teilnahmslos im Schatten hinten an der Zwingerwand.
    Jonas spähte durch den Maschendraht. »Hey, Charlie. Möchtest du mal mein Fleisch probieren? Das ist viel besser als deins.«
    Charlies Blick wanderte von den unberührten Knochen in Jonas’ Zwinger zu Jonas und wieder zurück. Er schürzte die Lippen. »Du isst doch gar kein Fleisch.«
    »Nein, aber wenn ich welches essen würde, dann würde ich dieses Fleisch hier essen.«
    Hinter ihm bemerkte Jess: »Hier

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