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Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Titel: Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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spricht der Experte!«, und Steven lachte, woraufhin Charlie auch lachen musste.
    »Möchtest du mal probieren?«, fragte Jonas.
    Nachdem er gerade gelacht hatte, sah Charlie umgänglicher aus. Er schnitt eine Grimasse und drehte die Hände vor dem Bauch ineinander, während er zu einer Entscheidung kam. Schließlich stieß er einen gewaltigen melodramatischen Seufzer aus, zuckte die Schultern und sagte: »Nein.«
    Da lachten alle, sogar Jonas. Es war völlig verrückt – über einen hungernden Jungen zu lachen, der das Essen verweigerte, während sie alle von einem Irren gefangen gehalten wurden –, aber es tat trotzdem gut.
    Jonas rutschte bis ans Ende seiner Kette und griff nach dem am nächsten liegenden Knochen. Er war zu weit weg, um ihn mit der Hand zu berühren. Während er sich bewusst war, dass Charlie jede seiner Bewegungen beobachtete, drehte er sich herum und streckte ein langes Bein aus. Seine Zehen ertasteten den Fleischbrocken. Er schaukelte ihn hin und her, und das Stück kippte auf ihn zu. Behutsam zog er es so weit heran, dass er es mit den Händen aufheben konnte. Schon bei der Berührung überlief es ihn kalt. Ein Stück grau verfärbtes Fleisch, so groß wie zwei Fäuste, von Klumpen aus gelbem Fett durchsetzt. Und das Ganze um einen glatten Knochenhöcker gelegt …
    Er schloss die Augen und hob den Fleischbrocken an die Lippen. Der Geruch! Er schluckte gegen das Erbrechen an. Er konnte nicht. Unwillkürlich verzog er das Gesicht und öffnete die Augen. Charlie sah ihm aufmerksam zu. Ohne noch einmal darüber nachzudenken, grub Jonas die Zähne in das Fleisch.
    Es war, als versuche er, sich selbst die Nase abzubeißen. So grauenvoll, so schwer. Und sie ging nicht ab. Er musste anfangen zu kauen, während sie noch festsaß.
    Wie ein Tier.
    Er würgte, doch er machte weiter, während ihm die Tränen aus den Augen strömten, bis er schließlich einen kleinen, sehnigen Klumpen abreißen und im Ganzen hinunterschlucken konnte. Er keuchte vor Anspannung und Ekel. Speichel rann ihm über die Unterlippe, und sein Magen zog sich krampfhaft zusammen, während sein verräterischer Stoffwechsel sich jäh für verheißene Nährstoffe bereitmachte.
    Jonas wischte sich den Mund ab und ordnete seine Gesichtszüge zu etwas an, von dem er hoffte, dass es Genuss ausdrückte, ehe er Charlie ansah. »Das ist echt gut«, beteuerte er. »Jetzt geht’s mir viel besser.«
    Charlie schien interessiert zu sein.
    »Möchtest du auch was?«
    Charlies Blick wanderte von seinen eigenen unberührten Knochen zu dem Stück Fleisch in Jonas’ Händen.
    »Na gut«, sagte er und stand auf. Jonas streckte sich abermals bis zum Ende seiner Kette und schaffte es gerade eben, den Fleischbrocken durch die Lücke am Dachansatz fallen zu lassen.
    Charlie sah ihn einen Moment lang zweifelnd an, dann grub er die Zähne hinein, ganz dicht neben der Stelle, wo Jonas abgebissen hatte.
    »Deins ist besser«, bestätigte er.
    »Hab ich doch gesagt«, erwiderte Jonas.
    »Du kannst meins haben«, verkündete Charlie großzügig und schmiss seine Ration über das Gitter. Die Fleischbrocken plumpsten feucht auf den Beton.
    Steven gab ein kurzes, freudloses Auflachen von sich.
    Jonas sah die widerlichen Aasbrocken an. Sein Magen ballte sich verzweifelt zusammen wie eine Faust.
    Du musst den Jungen retten, Jonas.
    Ich werde ihn retten. Ich verspreche es.
    Wie konnte er jemanden retten, wenn er tot war?
    Aus dem Stück Fleisch, das am nächsten lag, ragte eine dicke, rosige Ader hervor. Jonas rutschte auf dem Hintern vorwärts, bis er die Ader mit den gekrümmten Zehen greifen konnte, dann zog er den Klumpen totes Pferd zu sich heran.

50
    Es war sechs Wochen her, dass Jess entführt worden war, und John Took konnte nicht schlafen.
    Ein Teil von ihm – jener immer kleiner werdende Teil, der die Wahrheit verdrängte – hoffte noch immer, dass Jess’ Verschwinden eine beleidigte Teenager-Nummer war. Selbst der Gedanke, dass Jess mit einem viel älteren Freund durchge brannt war, war besser als die Vorstellung, dass sie entführt worden war.
    Seit sie vor einem Jahr allmählich Brüste bekommen hatte, hatte John Took oft nachts wachgelegen und sich Sorgen darum gemacht, was für Jungen wohl hinter seiner Tochter her sein würden. Jungen, die zu alt waren, Jungen mit Tattoos und Nasenringen, Jungen ohne Jobs, Jungen, die bloß auf eins scharf waren.
    Jetzt, in einer weiteren schlaflosen Nacht, stellte er erstaunt fest, dass er tatsächlich hoffte,

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