Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
schließlich während eines Wutanfalls des Babys ansprach, der die ganze Länge von Top Gear gedauert hatte, hatte Lewis gelacht und gesagt: »Ich krieg dafür doch kein Geld, du Idiot!«
Erst da war Steven klar geworden, dass das Baby, auf das sie aufpassten, tatsächlich zur Hälfte Lewis’ Baby war. Nachdem dieser Groschen erst einmal gefallen war, betrachtete Steven den kleinen Jake mit anderen – und wachsameren – Augen. Steven hatte noch nie Sex gehabt und hatte dieser Situation bis jetzt nichts Positives abgewinnen können, doch die schreckliche Alltagsverbindung zwischen Sex und Babys war plötzlich sehr real und ungeheuer ernüchternd. Besonders da es sich bei der Hälfte des Babys, die Lewis gehörte, immer um die untere Hälfte zu handeln schien – und zuzusehen, wie sein Kumpel würgte, wenn er eine vollgekackte Windel aufklappte, war ein besseres Verhütungsmittel als jedes Kondom.
Also bumste er Em nicht.
Stattdessen verbrachten sie einfach nur Zeit miteinander. Manchmal an der Bushaltstelle mit den anderen Jugendlichen, manchmal im Wald oder oben auf dem Moor, wo sie einmal einen Milan mit einer sich wild windenden Schlange in den Klauen davonfliegen sahen.
Manchmal half er ihr auch, Skip zu putzen, und dann wieder sah sie ihm dabei zu, wie er sein Motorrad zusammenbaute. Im Stall reichte er ihr Bürsten und füllte Eimer. Er war sich ziemlich sicher, dass Em Skip ohne ihn viel schneller putzen könnte, doch das sagte sie nie. Und sie in Ronnie Trewells Garage dabeizuhaben, war toll. Sie wurde das Ganze nie leid und redete vom Shoppen; sie sah ihm zu und ermutigte ihn. Dabei hatte er das Gefühl, dass er wusste, was er tat, und er stellte verblüfft fest, dass sein Projekt allmählich tatsächlich weniger wie ein Haufen Schrott und mehr wie ein Motorrad aussah, wenn sie dabei war. Einmal verbrachte sie einen ganzen Nachmittag damit, das eingedellte vordere Schutzblech mit Chrompolitur abzureiben, bis sie sich beide selbst darin grinsen sehen konnten.
Steven und Em hielten sich an den Händen, wenn sie allein waren, und er dachte daran, sie zu küssen, allerdings kniff er stets im letzten Moment – selbst wenn es so aussah, als würde sie es erwarten. Die Vorstellung, etwas falsch zu machen, war schrecklich. Sich vorzubeugen und ihren Mund zu verfehlen oder ihren Mund zu treffen, wenn sie gerade etwas sagte, oder dass seine Lippen zu trocken oder zu feucht sein könnten. Es war einfach zu wichtig, um es zu vermasseln. Jedes Mal, wenn sie sich voneinander verabschiedeten, zögerte er – und trat sich dann innerlich selbst in den Hintern, weil er nicht Manns genug war, seine Freundin zu küssen.
Natürlich dachte er auch an andere Dinge. Das war ja nur natürlich. Doch selbst seine sexuellen Fantasien waren kurzlebige Angelegenheiten, weil er so wenig brauchte, um sie in Gang zu bringen. Ein Kuss, eine Berührung – manchmal reichte schon ein imaginäres Flüstern.
Jedes Mal, wenn er Em sah, setzte Stevens Herz einen Schlag aus. Er wusste jetzt, dass er nicht allergisch gegen Pferde oder irgendetwas anderes war. Er wusste, dass es Liebe war, auch wenn er dergleichen noch nie zuvor empfunden hatte. Das erzählte er niemandem und gestattete sich kaum selbst, es auch nur zu denken. Die Vorstellung, sie zu lieben, war so gewaltig, dass er sich unwillkürlich an ihrem Rand herumdrückte und sich ihr niemals direkt stellte. Wenn er das eingestand – und sei es nur sich selbst –, dann, so fürchtete er, könnte es seinen Zauber verlieren.
Weil ihr Heimweg am Rose Cottage vorüberführte, brachte Steven Em immer nach Hause. Der Gedanke, dass Jonas Holly sie an seinem Haus vorbeigehen sah, beunruhigte ihn, doch das sagte er ihr nicht – nur dass er nicht wollte, dass ihr etwas passierte.
»Mir passiert schon nichts«, versicherte Em ihm. »Ich bin fit, ich kann echt schnell rennen.«
»Trotzdem«, beharrte er. »Passieren kann immer was.«
»Aber immer nur den anderen«, lachte sie.
Er zögerte, dann sagte er: »Dann bist du eben da, wenn jemand versucht, mich zu entführen.«
Ihre Eltern kannten seinen Namen. Ihre Mutter bot ihm Tee und Kuchen an, keinen gekauften Kuchen, sondern richtigen, den sie selber gebacken hatte und den er mit einer Gabel von einem Teller essen sollte. Ems Vater war höflich, aber wachsam. Er gab Steven die Hand und erkundigte sich, wie es ihm ginge, doch wenn er zu Hause war, schien er immer irgendwo in der Nähe zu lauern, wachsam und mit finsterer
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