Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
Miene.
Steven war ein klein wenig gekränkt, konnte es ihm jedoch nicht verdenken.
Sie gingen nur ein einziges Mal zu Steven nach Hause, zum Tee. Seine Mutter entschuldigte sich die ganze Zeit dafür, dass es Weißbrot gab, und Nan zeigte Em Kinderfotos von Steven.
Auf einem davon war er nackt.
Also gingen sie meistens zu ihr.
Sie lernten zusammen am Küchentisch oder hörten in ihrem Zimmer Musik oder sahen in einem anderen Zimmer fern, das größer war als das gesamte Erdgeschoss bei ihm zu Hause. Sie streichelten Ponyfohlen auf dem Moor, sie fuhren mit dem Bus nach Barnstaple, und er half ihr beim Aussuchen von CDs oder Trägertops, bei deren Anblick ihm ganz komisch im Kopf wurde.
Seine Freunde machten sich natürlich über ihn lustig.
»Sie ist ja noch neu«, meinte Lalo Bryant. »Sie wird’s schon noch lernen.« Und sie lachten alle.
»Wenn du keinen Sex mit ihr hast, ist sie nicht wirklich deine Freundin«, sagte Dougie Trewell mit absoluter Autorität. Steven hatte nicht gesagt, dass sie keinen Sex hätten, doch sie alle gingen davon aus, weil er nicht damit angab. Anscheinend hatte alle Welt Sex. Das machte ihn nervös; wenn sie nicht bald Sex hatten, würde Em ihn am Ende für einen Idioten halten und sich jemanden suchen, der wusste, was Sache war.
Der Todesstoß jedoch kam von Lewis, der tief seufzte und Steven auf den Rücken klopfte. »Die ist zu gut für dich, Alter. Nichts für ungut.«
Steven hätte ihm am liebsten eine geknallt.
Weil er wusste, dass es stimmte.
Em war etwas Besonderes. Alle seine Freunde wussten das, und sogar die anderen Mädchen konnten es sehen. Manche von ihnen trugen bereits Haarbänder aus Samt, anstatt sich das offene Haar andauernd in den Mund wehen zu lassen.
Steven war nichts Besonderes.
Das hatte ihm bisher nie etwas ausgemacht, plötzlich jedoch war er kritisch. Schmerzliche Fragen stellten sich: Wieso ging Em mit ihm? Was sah sie in ihm? War das Ganze ein Scherz? Lachte sie sich hinter seinem Rücken heimlich kaputt, so wie seine Freunde ihn ganz offen auslachten? Bei diesem Gedanken tat ihm die Brust weh.
Abends verbrachte er eine Ewigkeit damit, sich im Badezimmerspiegel anzustarren, an Pickeln herumzumachen und sich zu wünschen, seine Ohren würden nicht abstehen.
»Mu-um! Stevie kommt nicht aus dem Badezimmer raus!«
»Halt die Klappe.«
»Halt du doch die Klappe.«
»Ihr haltet jetzt beide die Klappe! Steven, raus aus dem Badezimmer!«
Er hörte auf, für eine Motorradjacke zu sparen, und kaufte sich Clearasil und einen Gillette-Mach-3-Rasierer, mit dem er sich jeden Morgen Wangen und Kinn abschabte, um das Stoppelwachstum anzuregen.
Nan kam von einer Fahrt nach Barnstaple mit einem Deospray zurück. Axe Sport.
»Was macht deine Freundin?«, fragte sie unumwunden. Das Deo hatte ihr Fragerecht verschafft.
Dougies Urteil hallte in Stevens Ohren wider, und er wich aus. »Sie ist nicht meine Freundin. Wir sind einfach nur befreundet.«
Nan schnaubte und starrte ihn an, bis er rot wurde.
»Dachte ich’s mir doch!«, sagte sie triumphierend und marschierte nach unten.
Halb war er froh bei dem Gedanken, dass seine Nan wusste, dass er jetzt ein Junge mit einer Freundin war, doch zugleich machte ihm das auch Angst. Je mehr Leute Bescheid wussten, desto größer würde die Demütigung sein, falls – wenn – Em die fröhlichen Prophezeiungen seiner Freunde erfüllte und mit ihm Schluss machte.
Während er darauf wartete, dass das geschah, roch er nach Axe Sport.
20
Jonas ging wieder in seinem Revier Streife.
Jeden Morgen war er um acht Uhr unterwegs, und wenn er abends um halb sieben nach Shipcott zurückfuhr, war er erschöpft. Er war die körperlichen Anstrengungen eines Arbeitstages nicht mehr gewohnt und hatte zu lange zu wenig gegessen, um noch Energiereserven zu haben.
Jetzt parkte er vor dem Red Lion und blickte zur Sunset Lodge hinüber.
Er sollte in dem Altenheim vorbeischauen; das hatte er früher immer getan.
Das war einmal ein fester Bestandteil seiner Runde gewesen – in der Saunawärme des Gartenzimmers zu sitzen und eine Tasse Tee auf einem Knie zu balancieren, während ein Keks langsam in seiner Untertasse aufweichte.
Den alten Leuten ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.
Das hatte ja auch ganz toll geklappt, nicht wahr? Den Killer fernhalten, bewaffnet mit Billigkeksen und leeren Versprechungen. Doch der Killer war trotzdem zu Besuch gekommen – hatte den Fensterriegel mit einem Messer aufgehebelt und eine blutige
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