Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
wirkliche Beweis. Finde die Pistole dazu, und du findest den Täter.«
Magda & Marlene
17
Forensisches Institut Wiesbaden.
Inga Jäger betrat die Technische Abteilung des Forensischen Instituts. So früh am Morgen war es hier seltsam still. Ja, fast gespenstisch. Ihre Schritte hallten durch den gekachelten Flur, und die Nähe der Leichenhalle der Pathologie wurde ihr unangenehm bewusst. Sehr viel bewusster, als ihr lieb war. Sie hatte oft mit dem Tod zu tun, das war nun einmal Teil ihres Berufs; aber wirklich daran gewöhnen würde sie sich nie.
Die Vorstellung, dass die sterblichen und schrecklich entstellten Überreste Sieglinde Reichards kaum ein Dutzend Meter von ihr entfernt in einem Kühlschubfach lagen, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
Es fühlte sich an, als sei ihr rastloser Geist in diesen medizinisch sterilen Räumen unterwegs und ihr jetzt in diesem Moment ganz nahe, um sie flüsternd zu fragen, ob sie inzwischen ihren Mörder gefasst hätte, auf dass sie endlich Ruhe fände. Sogleich gesellte sich bei Inga Jäger zu dem Grusel das schlechte Gewissen, mit den Ermittlungen noch immer nicht wirklich weitergekommen zu sein.
Vom Labor am vor ihr liegenden Ende des Ganges waren jetzt menschlichere Geräusche zu hören, und Inga Jäger entspannte sich wieder ein wenig. Dennoch konnte sie den plötzlich in ihr auftauchenden Drang nicht unterdrücken, leise zu flüstern: » Hab Geduld. Wir werden ihn finden.«
Sie wusste nicht genau, warum sie das getan hatte, aber danach fühlte sie sich augenblicklich wohler, und die unangenehme Gänsehaut verschwand.
Sie drückte die schwere Tür zum Labor auf und war nach der unheimlichen Stille einen Sekundenbruchteil lang überwältigt von all den Maschinen und Monitoren, die mit ihrem Geblinke und Gerassel, ihrem Piepen und Leuchten und ihren hochmodernen Anzeigen einen so krassen Gegensatz bildeten zu der spukigen Verlassenheit des Flures.
» Ich habe uns Frühstück mitgebracht«, rief sie über die technische Geräuschkulisse hinweg, weil sie Elli Falkenstein inmitten all der Geräte nicht auf Anhieb sah.
Die kleine Forensikerin kam auf allen vieren und mit einem Schraubenzieher und ein paar Kabeln bewaffnet von hinter einer Monitor-Anlage auf der anderen Seite des Raumes hervorgeklettert. Ihre nervösen Augen schafften es gerade einmal zwei Sekunden, Inga Jäger misstrauisch anzufunkeln, ehe sie wieder über den Boden und die Wände wanderten. » Ich hoffe, nichts Süßes. Ich steh nicht auf Süßes zum Frühstück. Nicht auf Süßes. Schon gar nicht, wenn ich die ganze Nacht durchgearbeitet habe. Die ganze Nacht. Die ganze. Aber nicht umsonst. Haha!«
Inga Jäger sah, wie Elli Falkensteins Mundwinkel zufrieden nach oben zuckten, während sie sich wieder aufrichtete.
» Was haben Sie herausgefunden?«
» Zuerst das Frühstück«, forderte die Technikerin, der man überhaupt nicht ansah, dass sie die Nacht durchgearbeitet hatte. » Sie können nicht hier hereinkommen, mich mit Frühstück ködern und dann– schwups!– zum Geschäft übergehen. Das können Sie nicht. Ich bin zwar ausgesprochen multitaskingfähig, aber nicht wenn es ums Essen geht. Da setzt dann selbst meine Inselbegabung aus. Bssst– Flatline, verstehen Sie? Also, was haben Sie dabei? Hoffentlich nicht nur Süßes.«
Inga Jäger war heilfroh, dass sie von dem Bäcker, bei dem sie noch schnell vorbeigefahren war, nicht nur eine Auswahl kleiner Kuchen, die man hier in der Region Kaffeestückchen nannte, mitgebracht hatte, sondern sicherheitshalber auch ein paar mit deftigen Sachen belegte Brötchen.
» Schinken-Käse, Salami, kalter Braten, eins mit nur Schinken und eins mit nur Käse«, zählte sie auf, stellte die Tüte auf einen der Tische und machte sie auf.
» Eins mit nur Käse, das ist toll. Ich liebe Käse. So sehr, dass meine Mutter mich immer Maus genannt hat. Aber wehe, Sie nennen mich Maus. Das durfte nur meine Mutter«, sagte Elli Falkenstein in ihrem typischen Roboterschwall und deutete dann auf eine Anrichte an der langen Seite des Raums. » Da steht Kaffee. Habe ich gerade frisch gekocht. Ich selbst trinke keinen, aber ich dachte mir, Sie mögen vielleicht welchen. Vielleicht. Viele Menschen mögen Kaffee zum Frühstück. Ich nicht. Macht mich hektisch, und wenn ich hektisch werde, kann ich nicht klar denken. Niemand kann das.«
Inga Jäger überließ es Elli, die Tüte auszupacken, und ging hinüber zu der Kaffeemaschine, um sich einen Becher
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