Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
dass er unschuldig ist? Das tut jemand doch nur, wenn er es auch wirklich ist!«
» Es gibt durchaus die ewigen Leugner«, entgegnete Gebert unbeeindruckt. » Die beteuern ihre Unschuld so oft, bis sie irgendwann einmal selbst daran glauben. Außerdem ist da immer noch die drohende Sicherungsverwahrung. Obwohl er den harten Burschen heraushängen lässt, bereitet ihm die Möglichkeit, für den Rest seines Lebens eingesperrt zu bleiben, ganz offenbar ziemlich großes Unbehagen. Und weil wir schon beim harten Burschen sind: Sie haben die Striche an seiner Schläfe gesehen. Der Kerl ist alles andere als ein Chorknabe. Sie haben doch selbst erlebt, wie feindselig er war. Solche Jungs fackeln nicht lange. So verhält sich kein Unschuldiger.«
» Vermutlich hat ihn das Gefängnis erst zu diesem harten und zynischen Burschen gemacht«, gab Inga Jäger zu bedenken. » Teilen Sie doch einmal für einen Moment meine Auffassung, dass er zu Unrecht verurteilt und eingesperrt wurde…«
Gebert zögerte. Doch dann sagte er: » Okay.«
» Gut. Und dann stellen Sie sich bitte vor, Sie kommen als bis dahin vollkommen unbescholtener Bürger in den Bau– zu all den echten Verbrechern, den echten harten Jungs.«
Gebert überlegte, dann nickte er. » Da gibt es nur kämpfen oder untergehen.«
» Und das hat ihn erst so hart gemacht«, war sie überzeugt.
» Ganz zu schweigen davon, dass er zu Recht verbittert darüber ist, dass man ihn nicht nur seiner Frau, sondern auch seines ganzen Lebens beraubt hat und ihn selbst frühere Freunde und Bekannte für ein Monster halten und sich von ihm losgesagt haben.«
» Der Gedanke ist furchtbar«, gab Gebert zu. » Falls er unschuldig sein sollte.«
» Und damit kommen wir zum entscheidenden Punkt«, sagte sie. » Wir waren uns doch vorhin schon einig, dass es unwahrscheinlich ist, dass die drei Morde von drei verschiedenen Männern begangen wurden.«
Gebert nickte wieder.
» Gut«, sagte Inga Jäger. » Den Mord an Sieglinde Reichard kann er eindeutig nicht begangen haben, weil er im Gefängnis saß, als sie umgebracht wurde, und für den Mord an Marlene Krüger 1984 hat er ein wasserdichtes Alibi.«
» Das wir allerdings erst noch überprüfen müssen«, relativierte Gebert.
» Natürlich«, gestand Inga Jäger ein. » Aber ich gehe ganz stark davon aus, dass er tatsächlich eines hat. Er weiß, dass wir es ohne große Schwierigkeiten herausfinden würden, wenn er uns belügt. Er war auf den Malediven, als Marlene Krüger hingerichtet wurde.«
» Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte Gebert. » Genauso unwahrscheinlich, wie es ist, dass die drei Morde von drei verschiedenen Männern begangen wurden, ist es, dass Heiko Reichard den ersten und den dritten Mord begangen hat und Thomas Eser nur den mittleren.«
» Korrekt«, erwiderte Inga Jäger. » Und das macht Thomas Eser nach allen Gesetzen der Logik zu einem Unschuldigen.«
» Was in meinen Augen dann wieder Heiko Reichard zu unserem Hauptverdächtigen macht, und zwar in allen drei Fällen.«
» Zugegebenermaßen ist das bisher aber alles nur Spekulation und Intuition«, sagte Inga Jäger. » Wir müssen weiter jonglieren und mehr Fakten zusammentragen, bis wir klarer sehen und die Dinge endlich auf ihren Platz fallen.«
» Okay, dann weiter im Text«, sagte er und schloss den Wagen auf. Seine Wut war verraucht.
Inga Jäger war froh darüber. Sie schätzte ihn inzwischen sehr.
Sie stiegen in den Wagen und ließen den Ort der Verlorenen hinter sich.
28
Hotel Nassauer Hof. Wiesbaden.
Das Hotel Nassauer Hof ist das erste Haus am Platze. Es liegt an der mit edlen Geschäften gesäumten Wilhelmstraße genau gegenüber dem Kurhaus und dem Wiesbadener Staatstheater, mit denen gemeinsam es noch heute die späthistorische Pracht abbildet, mit der sich die Kurstadt zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts den zahlreichen Besuchen des Hohenzollern-Kaisers Wilhelm II . gerecht zu werden bemühte. Aber Inga Jäger und Kommissar Gebert waren nicht wegen dieser Pracht hier. Sie waren auf der Suche nach weiteren Informationen.
Gebert parkte den Wagen im kopfsteingepflasterten Rondell vor dem Haupteingang und zeigte dem in dunkler Livree diensteifrig herbeieilenden Wagenmeister den Dienstausweis. Dessen freundliches Lächeln blieb erhalten, obwohl er jetzt wusste, dass hier nicht ein Cent Trinkgeld zu erwarten war, und er wieselte zurück, um den beiden die blitzsauber polierte Glastür aufzuhalten und sie mit einer leichten
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