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Ihr wahrer Name

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Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Stelle in der Handschuhfabrik besorgen konnte. Natürlich gehörte die Fabrik nicht ihr, aber sie war die Buchhalterin, sie konnte mit Herrn Schatz sprechen. Doch jedesmal, wenn ich das Thema zur Sprache brachte, kreischte sie mich an, sie werde es nicht zulassen, daß die Leute mit dem Finger auf sie deuteten. Während des Krieges wurden in der Fabrik drei Schichten gefahren, um genug Nachschub für die Armee herzustellen...
    Schließlich, an einem heißen Augustmorgen, als ich Ciaire mit ihren Büchern in den Garten hatte gehen sehen, klingelte ich also an der Tür. Ich hoffte, daß Mrs. Tallmadge öffnen würde; wenn Ciaire sich im Garten aufhielt, mußte ich nicht meiner Heldin selbst gegenübertreten. Natürlich wurde die Tür von einem Hausmädchen geöffnet, damit hätte ich rechnen müssen, denn in allen größeren Häusern in unserem Viertel gab es Hausmädchen. Sogar in den kleinen, häßlichen wie dem von Minna kam immerhin eine Putzfrau, die die schweren Arbeiten erledigte.
    Das Hausmädchen redete so schnell, daß ich nichts verstand. Ich merkte nur, daß ihre Stimme verärgert klang. Als sie mir gerade die Tür vor der Nase zuschlagen wollte, platzte ich in gebrochenem Englisch heraus, daß Ciaire mich sehen wolle. »Ciaire fragt nach mir. Sie sagt, komm.«
    Das Hausmädchen schloß die Tür, sagte mir aber vorher, ich solle warten, ein Wort, das ich in den Wochen, in denen ich von Haus zu Haus gezogen war, gelernt hatte. Nach einer Weile kam das Hausmädchen zusammen mit Ciaire zurück.
    »Ach, Susan, das ist das merkwürdige kleine Mädchen vom Nachbarhaus. Ich rede mit ihr - du kannst gehen.« Als Susan mit gerümpfter Nase verschwand, beugte Ciaire sich zu mir vor und sagte: »Ich habe gesehen, wie du mich über die Mauer beobachtest, du komisches kleines Äffchen. Was willst du denn?«
    Ich erzählte ihr stotternd meine Geschichte: Vater brauchte Arbeit. Er konnte alles.
    »Aber bei uns kümmert sich Mutter um den Garten, und Susan macht das Haus sauber.«
    »Er spielt Geige. Schwester...« Ich mimte Vanessa als Braut, was Ciaire in Lachen ausbrechen ließ.
    »Er spielt. Sehr schön. Schwester mag.«
    Da tauchte Mrs. Tallmadge hinter ihrer Tochter auf und fragte, wer ich sei und was ich wolle. Sie und Ciaire unterhielten sich eine ganze Weile, ohne daß ich etwas verstanden hätte. Ich erkannte nur Hitlers Namen und natürlich das Wort »Juden«. Es war klar, daß Ciaire Mrs. Tallmadge zu überreden versuchte, doch die blieb unnachgiebig - sie hatten kein Geld. Als ich später fließend Englisch sprach und die Familie kennenlernte, erfuhr ich, daß Mr. Tallmadge gestorben war und seiner Frau und seinen Töchtern etwas Geld hinterlassen hatte - genug, um das Haus halten zu können und einigermaßen sorglos zu leben, aber nicht genug für Luxus. Und meinem Vater zu helfen wäre Luxus gewesen.
    Einmal wandte sich Ciaire mir zu, um mich nach meiner Mutter zu fragen. Ich sagte, ja, sie würde auch kommen, aber Ciaire wollte wissen, welche Arbeiten meine Mutter erledigen könnte. Ich sah sie verständnislos an, weil ich mir so etwas nicht vorstellen konnte. Nicht nur, weil die Schwangerschaft sie so mitgenommen hatte, sondern auch, weil niemand von meiner Mutter erwartete, daß sie arbeitete. Sie war da, um andere fröhlich zu stimmen, denn sie tanzte und sprach und sang schöner als jeder andere. Doch selbst wenn mein Englisch so gut gewesen wäre, daß ich das hätte ausdrücken können, wäre es ein Fehler gewesen, es zu sagen, das wußte ich. »Nähen«, erinnerte ich mich schließlich. »Sehr gut nähen, meine Mutter.« »Vielleicht Ted?« schlug Ciaire vor.
    »Du kannst es ja versuchen«, sagte ihre Mutter mit einem verächtlichen Schnauben und ging ins Haus zurück.
    Ted, das war Edward Marmaduke, der zukünftige Ehemann von Vanessa. Auch ihn hatte ich im Garten gesehen, einen blassen Engländer mit strohblonden Haaren, dessen Haut in der Sommersonne ungesund rosa wurde. Er diente später in Afrika und Italien, kam aber 1945 unverletzt zurück, das Gesicht zu einem tiefen Ziegelrot gebräunt, das nie wieder ganz verschwand. In jenem Sommer des Jahres 39 jedoch wollte er den Anfang seiner Ehe mit Vanessa nicht durch ein armes Einwandererpaar belasten: Ich lauschte der Diskussion darüber zusammengekauert auf der anderen Seite der Mauer zwischen Minnas und Claires Garten und wußte, daß es um mich und meine Familie ging, als ich sein lautes »Nein« hörte und Vanessas Tonfall entnahm, daß sie

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