Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
ließen.
Sie erzählten, dass die Zellen rund um die Uhr von Neonröhren beleuchtet waren, und berichteten, wie sie in den langen Verhören vom Sicherheitsdienst gefoltert wurden.
Ich fragte, ob sie beabsichtigten, sich wieder zu engagieren. Wagten sie, ihre Freiheit ein weiteres Mal aufs Spiel zu setzen? Sie überlegten eine Weile.
»Wir müssen zunächst herausfinden, welche Möglichkeiten wir haben. Momentan werden wir permanent beobachtet und wissen nicht, wie die Widerstandsbewegung aussieht.«
Im Februar 2007 wurde bekannt, dass kleinere Aktivistengruppen öffentliche Proteste in Rangun durchgeführt hatten. Sie hatten sich in Gruppen zu fünf bis zehn Personen zusammengefunden, Flugblätter verteilt und gegen Arbeitslosigkeit und Armut im Land protestiert. Die UN hatte Burma als eines der 20 weltweit ärmsten Länder eingestuft, und im Laufe des Jahres 2006 war die Inflation enorm angestiegen. Die Preise für Reis, Eier und Speiseöl hatten ein Niveau erreicht, das es vielen Menschen unmöglich machte, sich mit diesen einfachsten Lebensmitteln zu versorgen.
Die Situation ähnelte der des Jahres 1988, und dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass sich die Anführer dieser langsam anwachsenden Protestbewegung 88 Generation Students nannte. Auch die ehemaligen Studentenführer, die ich 2005 in Rangun getroffen hatte, schlossen sich an. Die Bewegung wuchs im Laufe des Frühjahrs und des Sommers weiter an, und als die Junta am 15. August entschied, die Subventionen für Öl und Gas abzuschaffen, sahen sie ihre Chance gekommen. Der Beschluss über die Subventionsstreichungen war gefasst worden, nachdem die Weltbank und der Internationale Währungsfonds eine solche Maßnahme empfohlen hatten. Aber niemand hatte damit gerechnet, dass die Junta die Subventionen komplett streichen würde, so dass die Menschen plötzlich gezwungen waren, ihr ganzes Einkommen für Heizung und Treibstoff auszugeben. 88 Generation Students entschied, am 19. August eine große Kundgebung abzuhalten. Ungefähr 400 Menschen versammelten sich in der Innenstadt von Rangun, aber die Junta schlug sofort zu. Die Anführer von 88 Generation Students wurden ins Gefängnis geworfen, und die Aktivisten, die bereits über 15 Jahre inhaftiert gewesen waren, wurden zu weiteren Gefängnisstrafen verurteilt – teilweise für eine Dauer von bis zu 65 Jahren.
In dieser Situation – nachdem 88 Generation Students mundtot gemacht worden war – traten die rot gekleideten Mönche hervor. Eine ganze Welt kleidete sich in Rot, um ihren Kampf zu unterstützen.
Am 5. September schlugen die Soldaten eine friedliche Demonstration in der kleinen Stadt Pakokku nieder. Drei Mönche wurden verletzt, und am folgenden Tag nahm eine Gruppe junger Mönche in einem Gebäude nahe des Klosters einige Staatsbeamte als Geiseln. Sie forderten eine Entschuldigung für den Überfall am Vortag, aber das Militär weigerte sich. Die Proteste eskalierten Schritt für Schritt, bis sie sich zum größten Volksaufstand seit 1988 entwickelt hatten. Manche Demonstrationen zogen bis zu 100 000 Menschen an.
Wie schon nach der Wahl 1990 unterstrichen die Mönche ihre Proteste auf besondere Art: Wenn sie an Offizieren oder deren Familien vorbeikamen, drehten sie ihre Bettelschalen um und weigerten sich, Almosen entgegenzunehmen. Eine ernsthafte Beleidigung für jeden gläubigen Buddhisten.
Der wohl emotionalste Moment der Proteste kündigte sich an, als eine Gruppe von Mönchen die University Avenue hinauflief, um Aung San Suu Kyi zu ehren. Als sie zu der abgesperrten Zone vor dem Haus kamen, sah man, wie die Soldaten zögerten. Sollten sie die Mönche durchlassen? Hatte es schlechtes Karma zur Folge, wenn man sie aufhielt? Ein Offizier zog ein Funkgerät hervor. Eine wacklige, zufällig entstandene Filmaufnahme zeigt, dass er nickt, das Funkgerät zurücklegt und den Befehl gibt, die Mönche passieren zu lassen. Suu Kyi traf am Grundstückstor mit den Mönchen zusammen und betete mit ihnen. Einige Menschen, die hinter den Absperrungen zurückgeblieben waren, behaupten, sie hätte geweint. Zum ersten Mal seit Jahren durfte sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Und zum ersten Mal setzten die Mönche ein Zeichen und ließen erkennen, wen sie als rechtmäßigen Anführer des Landes betrachteten. Es schien, als hätte ganz Burma einen elektrischen Schlag bekommen.
»Allein dass sie sich zeigen konnte, bedeutete einen Auftrieb für die Demokratiebewegung. Sie brachte die
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