Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
unbewaffnet war. Zwar blickte der Gardist ihn einen Moment wie vom Donner gerührt an, ließ ihn aber passieren. Alles, was er sah, war ein schmächtiger Junge, der unbewaffnet vor einer Horde Ashjafal flüchtete.
Schon war Miray beim Stadttor. Er zügelte den Zelter und hielt ihn dicht an der Mauer, wartete ab, bis die Ritter aus dem Tor geprescht waren. Es dauerte eine Weile, bis der Fluss spärlicher wurde. Dann nutzte Miray seine Chance und trieb den Hengst durchs Tor. Klappernd trabte er über ein breites Kopfsteinpflaster und tauchte sogleich in einer Seitengasse unter.
Er hatte es geschafft! Erleichtert blickte Miray sich um. Er konnte es kaum glauben. Er war frei!
*
„Es brennt!“ Mit diesen Worten riss Dari Lucy kaum eine Minute später aus tiefem Schlaf. Die Prinzessin fuhr in die Höhe und blickte sich verwirrt im Zimmer um. Nein, sie war nicht in Shidabayra, auch nicht mehr in Falgamond. Sie war in Yrismin, und Fay war immer noch verschwunden...
„Komm, steh auf, zieh dich an, wir müssen weg!“ Die Lichtfee warf Lucy Gewand aus dem Schrank neben dem Fenster zu. Sie selbst war in festes Lederzeug gekleidet, die Flügel hielt sie abgespreizt, von dem Riss war nichts mehr zu sehen.
„Du sollst dich beeilen! Hörst du?!“
„Was ist denn geschehen?“, wollte Lucy wissen und schwang die Beine über die Bettkante. Dann fiel ihr das Geschrei auf, das durch das Fenster von der Straße hereindrang. „Hat der Blitz irgendwo eingeschlagen?“
„Wenn es nur das wäre!“, rief Dari und eilte, ohne ein weiteres Wort, aus dem Zimmer.
Lucy kleidete sich rasch an und trat ans Fenster. Ein Seufzer entfuhr ihr. Die Stadtmauer unten am Kanal brannte. Sie konnte die Garderitter des Fürsten hinter den Holzzinnen stehen sehen. Einige von ihnen hingen reglos über der Mauer. In den unteren Straßen, auch bereits hinter der Mauer und dem Tor, wurde gekämpft. Schwerter klirrten aufeinander, und Schreie waren von überall her zu hören.
„Die Ashjafal ...“, murmelte Lucy.
„Ja, sie haben die Stadt angegriffen!“, kam Daris Stimme vom Flur herein.
Im Haus des Schuhmachers war ein einziges Gepolter und Gerumpel zu hören. Unten in der Stube, vernahm man aufgeregte Stimmen, und von der Straße tönte Geschrei herauf.
Die Prinzessin rannte auf den Flur. „Was hast du vor, Dari?“
Die Lichtfee drückte ihr einen Ledersack in die Hände.
„Wir werden auf der Stelle verschwinden. Drago weiß bereits Bescheid. Phela richtet die Pferde her.“
„Aber sie werden die Tore verschließen!“
„Ich bin eine Lichtfee, oder nicht? Mir wird schon etwas einfallen.“
Dari ergriff Lucy bei der Hand und zog sie zur Treppe. Die Prinzessin erhaschte noch einen kurzen Blick auf die Stadtmauer, als sie hinuntereilten.
Obwohl die Sonne bereits aufgegangen sein musste, herrschte ein graues Zwielicht. Die eine Seite der Stadtmauer stand in Flammen. Der Regen milderte zwar die Ausmaße der Verheerung, aber trotzdem flammte die Mauer immer wieder an anderen Stellen auf.
Als die beiden jungen Frauen den Hinterhof erreichten, stand dort Drago mit den schwarzen Windstuten am Zügel. Der kleine weiße Affe auf seiner Schulter kreischte und bleckte die Zähne.
„Rasch!“, rief der Gaukler. „Ihr müsst fliehen, Prinzessin. Beeilt Euch. Wenn Ihr das Osttor rechtzeitig erreicht, könnt Ihr nach Eshkash entkommen. Auf halbem Weg nach Effèlan gibt es einen Ort, der die Alte Schmiede genannt wird. Dort lebt meine Schwester. Ihr Name ist Vialatra, sie wird Euch helfen.“
Lucy blickte alarmiert auf. Von wem wusste der Gaukler über ihr Vorhaben Bescheid?
„Keine Sorge“, fügte er grinsend hinzu. „Ich weiß nicht, was Ihr in Effèlan wollt. Aber es muss wohl ein gewagter Plan sein, wenn Ihr als Ritter verkleidet durchs Land zieht. König Tahut würde so etwas mit Sicherheit nicht gutheißen.“
„Ja, da habt Ihr Recht.“ Lucy grinste schief und ergriff Levandas Zügel. Die Stute begrüßte sie mit einem heftigen Nasenstüber.
„Und jetzt reitet zu!“, rief Drago und nahm Abstand. „Und denkt ab und zu an mich!“
Auch Dari schwang sich in den Sattel, dann winkten sie dem Gaukler noch einmal und schon trabten sie in eine der verwinkelten Gassen hinein.
18.
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