Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
krümmte sich und warf den Kopf zur Seite, um herauszufinden, aus welcher Richtung sein Angreifer kam. Dann blieb er zitternd liegen und lauschte angestrengt. Er saugte hastig Luft ein und wartete ab.
Plötzlich ertönte eine Stimme genau neben seinem rechten Ohr. Miray fühlte aber keine Anwesenheit. Es war, als würde die Stimme aus dem Nichts kommen oder direkt in seinem Kopf entstehen.
„Wenn du ruhig bist und still hältst, werden wir dir nichts zu leide tun, mein Prinz.“
„Mhm ...“, machte Miray.
„Wir bringen dich zu unserem Herrn. Es wird nicht lange dauern.“
„Mm ...“
„Er ist nicht wirklich unser Herr , weißt du? Er bildet es sich nur ein, weil er uns aus dem Schwarzen Buch befreit hat.“
„Hm.“
„Aber solange es uns nützt, werden wir tun, was er befiehlt. Danach jedoch werden wir uns wiedersehen, junger Prinz. Wir werden uns wiedersehen ... du und ich.“
Mirays Herz klopfte zum Zerspringen. Er redete sich ein, dass sein Entführer ihm nur Angst einjagen wollte, um ihn willenlos und gefügig zu machen. Aber tief in seinem Herzen ahnte er, dass der Hexer die Wahrheit sprach.
Miray versuchte sich die Stimme einzuprägen, um sie später vielleicht wiedererkennen zu können. Sie hatte einen deutlichen Akzent, den er noch nirgends gehört hatte. Effèlan würde so den Verbrecher dingfest machen können und den Frevel, der soeben an Miray verübt wurde, rächen.
Aber ... was dachte er da eigentlich? Mit Effèlans Gnade konnte er nicht mehr rechnen. Miray hatte die Ashjafal verlassen und das aus freien Stücken. Sollte Andamar überleben und dem König berichten, was sein Sohn getan hatte, konnte er nie mehr in den Palast zurückkehren.
Das lag auch nicht in Mirays Absicht. Allerdings war er bei seinem kläglichen Fluchtversuch vom Regen in die Traufe geraten. Und so paradox es auch klingen mochte, Miray wünschte sich jetzt beinahe, Effèlan wäre hier und würde ihn retten.
Der Prinz seufzte schwer.
„Denke ja nicht, du könntest fliehen“, ertönte wieder die klanglose Stimme neben seinem Ohr. „Die Fesseln, die dich binden, sind von einem Zauber behaftet. Kein Zauber, wie du ihn kennst. Das hat nichts mit den netten kleinen Sprüchen zu tun, die die Ashjafal benutzen. Das ist eine Magie, mit der willst du nichts zu tun haben. Also bewege dich so wenig wie möglich.“
Der Prinz wurde hochgehoben und über eine unsichtbare Schulter gelegt. Miray hob den Kopf und versuchte Düfte aufzufangen, die ihm sagen konnten, wo er sich befand. Aber es stieg ihm nur die feuchte Walderde und der schwache Geruch nach der süßen Drachenbaumrinde in die Nase. Kurz darauf fiel er grob zu Boden und spürte unter sich das verflochtene Wurzelwerk eines Baumriesen. Miray schmiegte sich an die tröstende Schuppenrinde und hörte, wie sich die Schritte des Grauen Hexers langsam entfernten.
Ein Zittern, das über seinen ganzen Körper wanderte, konnte er jetzt nicht mehr unterdrücken. Er bekam nicht genug Luft, weil er nur durch die Nase atmen konnte, und Tränen durchfeuchteten den Stofffetzen, der seine Augen bedeckte.
Das hatte Effèlan nun davon! So ging es mit seinem einzigen Thronfolger zu Ende.
Du bist der, der einmal alles von mir erben wird, hatte der König oft zu ihm gesagt. Ich hätte mir einen anderen gewünscht, aber so wie es aussieht, muss ich wohl mit dir Vorlieb nehmen. Also werde endlich erwachsen, und tu wenigstens so, als wärst du ein Mann
Miray zitterte jetzt nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.
Es fror ihn, er hatte schrecklichen Hunger und kaum noch etwas Schönes, das ihn mit diesem Leben verband. Es fiel ihm kein Ort ein, an den er sich hätte wünschen können. Seit er auf der Welt war, hatte er nur Effèlan gekannt ... Miray hatte nie begreifen können, dass er wirklich sein Sohn war. Sie hatten so gar nichts miteinander gemeinsam.
*
Zur selben Zeit betrat Lucy die Alte Schmiede in kaum besserer Stimmung. Die große, mit Schnitzereien aus Elfenholz versehene, Eingangstüre, geleitete sie in einen kleinen Schankraum, der allerdings im Moment leer war.
Hinter einer langen Theke stand ein junger, hohlwangiger Mann und lächelte ihr schwach entgegen.
„Es kommt selten ein Reisender hierher. Die Gegend ist als Spukwald verschrien und das vermutlich zu recht. Hier leben viele, die dein Vater längst in seine Kerker
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