Im Abgrund der Ewigkeit
und in der Schleuse ablegte.
Es dauerte, bis sich Asmodeo überwand. Er stand auf, holte aus seiner Innentasche ein silbernes Fläschchen, öffnete dessen Verschluss und ging zur Trennwand. Behutsam nahm er die Petrischale und goss das perlmuttfarbene Destillat in einem Zug in den Flakon, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten.
Der Geruch war himmlisch. Er spülte eine Flut von Bildern mit sich. Verbrechen, Quälereien, Verrat und Mord. Die Quintessenz des Bösen. Das Wasser lief Asmodeo im Mund zusammen. Sein gesamter Körper lechzte nach der exquisiten Droge. Gleichzeitig fühlte er sich an früher erinnert - an seine grenzenlose Macht als Dämon, an seine Herrschaft über die Schwächen der Menschen, an ein Leben ohne Regeln, Begrenzungen oder gar Skrupel.
Mit zitternden Fingern verschraubte Asmodeo das Fläschchen und verstaute es sorgfältig in seiner Jackentasche. Das Lied aus dem Fahrstuhl kam ihm in den Sinn. Sein Pfeifen klang seltsam erzwungen.
Er warf einen letzten Blick in den Raum, schritt zu der Steuerung und ließ die Wand aus Panzerglas herunterfahren. Das dahinterliegende Reagenzglas hob sich automatisch und gab das Podest mit einem leisen Zischen frei. Feine Ascheteilchen verteilten sich im Luftzug.
Mit einer aggressiven Geste rammte Asmodeo den Hebel für die Turbinen in die Maximalstellung. Die Flammen, die nun nicht mehr eingesperrt waren, schossen bis an die Decke hinauf. Es roch verbrannt.
Asmodeo drehte sich um, verließ den Raum und durchquerte die einsamen Gänge.
Die Fahrstuhlmusik hatte auf ihn gewartet. Sie empfing ihn mit ihrem monotonen Gedudel.
Im Foyer stieg er über die Leiche des Wachmanns, öffnete die Tür mit der Magnetkarte und war mit wenigen Schritten bei seinem Motorrad. Einen Moment blieb er stehen und sog die reine Luft ein. Dann startete er die Maschine. Der kräftige Motor hieß ihn mit einem tiefen Aufbrummen willkommen.
Eine Explosion ließ das Gebäude hinter ihm und selbst die Fahrbahn erzittern. Glas platzte, tausende von Scherben regneten herab, doch Asmodeo blickte nicht zurück. Zuerst im Schritttempo, dann immer schneller, fuhr er in das trübe Zwielicht des Morgens hinein.
Die Sirenen von mehreren Feuerwehrwagen näherten sich heulend. Sie kamen zu spät. Elisabeths Anlage war für immer zerstört.
Es war an der Zeit, zu Lilith zurückzukehren.
7
D ie Sonnenstrahlen, die es schafften, bis in die entlegenen Winkel des Klosterhofes zu gelangen, verbreiteten ein goldenes Licht. Gelegentlich wirbelte der sanfte Wind braun verwelkte Blätter auf. Der Sommer lag im Sterben. Der Herbst begann.
Frau Dr. Naumann hörte, wie das schwere Eingangstor geöffnet wurde. Der Klang eines kräftigen Motors brach sich an den uralten Wänden. Das Motorrad verstummte, sein Geräusch wurde durch herannahende Schritte ersetzt.
Die Ärztin beendete ihre Analyse und sah vom Elektronenmikroskop auf. Asmodeos Gesicht wirkte eine Spur heller als gewöhnlich, nahezu blass. Seine Augen schienen eingefallen. Allein ihre Farbe hatte nichts von ihrer Faszination verloren.
„Hallo, Blonder. Du siehst fertig aus“, sagte sie. „…Und seit wann bist du ein Bulle?“
Anstatt zu antworten, griff Asmodeo in die Innenseite seiner grünen Motorradjacke und zog einen silbernen Flakon heraus, den er mit großer Vorsicht neben dem Mikroskop platzierte.
„Ist es das?“ Frau Dr. Naumann nahm einen Bleistift und tippte behutsam gegen die Flasche.
Asmodeo nickte.
„War es schwer zu bekommen?“
Wieder erhielt sie keine Antwort auf ihre Frage.
„Wie geht es Franz“, erkundigte sich Asmodeo stattdessen.
„Unserem Charmeur?“ Die Ärztin spielte die Unbeteiligte. „Ich will es mal so sagen: Wenn ich nicht bereits unverschämt gut von dir bezahlt würde, wäre es jetzt an der Zeit, mir eine Gehaltserhöhung zukommen zu lassen.“
„Er lebt also?“
„Aufgrund meiner phänomenalen Pflege und meines außergewöhnlichen medizinischen Wissens hat er die Nacht überstanden.“ Sie grinste. „Es könnte auch sein, dass wir einfach Glück gehabt haben.“
„Ja. Glück“, schnaubte Asmodeo verächtlich. „Das hat uns in letzter Zeit regelrecht verfolgt. Aber ich bin sehr erleichtert, dass er am Leben ist.“ Er angelte sich einen leeren Stuhl und ließ sich schwer darauf nieder.
Die Ärztin betrachtete ihn nachdenklich. „Du siehst furchtbar aus, vollkommen erschöpft. Du solltest etwas schlafen.“
„Nachher“, sagte Asmodeo. „Nachher werde ich mich
Weitere Kostenlose Bücher