Im Abgrund der Ewigkeit
wenn meine Frau geht, gibt es auch für mich keinen Grund mehr, am Leben zu bleiben.“
Marga nickte.
Tränen traten in Cunninghams Augen. Er wischte sie mit einer energischen Geste weg.
„Dr. Cunningham, Sie meinten, Sie bräuchten meine Unterstützung. Was kann ich in einer derartig extremen Situation für Sie tun?“
Cunningham riss sich zusammen, richtete sich auf und in seinen Augen lag ein herzzerreißendes Flehen. „Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der uns helfen kann.“
„Ich?“
„Ja. Sie. Meine Frau will niemanden an sich heranlassen. Aber sie ist mit Frau Stolzen bekannt. Und die hat Sie empfohlen. Sie hat gesagt, Sie wären die Beste.“
Marga lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Ihr Gesicht wurde blass. „Sie reden von Gerti? Wir sind längst nicht mehr so eng befreundet, wie wir es einmal waren.“
Cunningham machte eine fahrige Handbewegung. „Das ist meiner Frau vollkommen gleichgültig. Sie hält große Stücke auf die Meinung von Frau Stolzen…“ Er seufzte tief, „Frau Schulz, Sie sind wirklich der einzige Mensch auf der Welt, der meiner Frau in ihrer Krise beistehen kann. Besonders…“, sein Ausdruck wurde angespannter. Mit einem Schlag war alle Weichheit aus ihm verschwunden. „Besonders, weil Sie außergewöhnliche Methode n nutzen, um Menschen zu helfen.“
Die Art, wie er Menschen und Methoden betonte, ließ Marga aufhorchen. „Wie meinen Sie das, Dr. Cunningham? Ich bin Psychologin.“
Auf Cunninghams Gesicht erschien der Anflug eines Lächelns. „Wir benötigen Ihre anderen Fähigkeiten. Die Fähigkeiten, mit denen Sie zum Beispiel in die Zukunft blicken können, oder …“, Cunningham machte eine kleine Pause, „…oder die Fähigkeiten, mit denen Sie es geschafft haben, Gertis Schwester zu retten, die nach einer Abtreibung beinahe verblutet wäre.“
Marga sank in ihrem Sitz noch weiter zurück, öffnete den Mund und ein leises Keuchen drang aus ihren Lungen.
„Wir wissen, was Sie können, Frau Schulz. Wir wissen, wozu Sie fähig sind. Und wir wollen, dass Sie Ihre besonderen Fähigkeiten und Talente ab sofort wieder für unsere, für die wahrhaft gute Sache einsetzen.“
Cunningham erhob sich und bot Marga galant seine Hand dar. „Kommen Sie nur“, sagte er. „Elisabeth wartet auf Sie. Sie wird sich freuen, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen.“
3
D ie Tür schwang weit auf. Zwei Personen erschienen im Eingang. Das unvermittelt hereinbrechende Licht ließ nur ihre Umrisse erkennen: ein großer schlanker Mann, daneben eine kleinere Person, die sich mit einer ängstlichen Körperhaltung beinahe an ihn presste. Sekundenlang verharrten sie auf diese Weise, dann schob der Mann die Frau vor sich her. Zögernd gelangten sie bis an das Fußende des Bettes.
Cunningham trat zur Seite, Marga blieb einsam zurück. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, ihre Schultern leicht hochgezogen, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie wagte es nicht, ihren Blick zu heben. Sie wollte nicht sehen, wer in dem Bett vor ihr lag.
„Du weißt, warum ich dich geholt habe.“ Elisabeth sprach leise und betont bedächtig. Jedes ihrer Worte drang wie rotglühendes Eisen in das Herz der Psychologin. Diese drückte ihre Arme noch fester an sich, machte sich noch kleiner, als könnte sie sich dadurch vor dem Bösen schützen, das den ganzen Raum beherrschte.
„Du weißt, dass du tief in meiner Schuld stehst.“
Marga begann zu zittern. Ein Schauer durchlief ihren Körper. „Ich habe das damals nicht gewusst. Ich habe das nicht gewollt .Ich wollte nur meiner Freundin helfen“, stammelte sie.
Elisabeths Erwiderung kam mit der Schärfe eines Peitschenhiebs: „Hör mit deinen Lügen auf. Du wusstest genau, was du tust. Du wusstest genau, welche Macht du heraufbeschworen hast. Und ich hätte jedes Recht, dich einfach zu vernichten, wie man ein lästiges Insekt zerquetscht.“
Marga blieb stumm. Ihr Atem verwandelte sich in ein heftiges Schnaufen und ihr Zittern wurde zu einem Beben.
„Aber“, fuhr Elisabeth mit sanftem Ton fort, „das will ich ja gar nicht. Du bist mir viel zu wertvoll.“
Marga brauchte eine gewisse Zeit, bis sie den Sinn dieser Worte zu erahnen begann. Die Zuckungen ihres Körpers verebbten, zaghaft hob sie ihren Kopf, wagte aber immer noch nicht, Elisabeth direkt anzusehen.
„Ich habe zahlreiche, ich habe tausende Diener. Und dich, Marga, habe ich sträflich vernachlässigt. Dabei hast du das meiste Talent und das größte Potential.
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