Im Auftrag der Liebe
dem Verlangen, mit dem Finger über den Buckel auf seiner Nase zu fahren, und sagte: »Wenn das wahr ist, können Sie dann auch mir vertrauen?«
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Ihnen vertrauen?«
Damit hatte er nicht gerechnet. »Ja, vertrauen Sie mir?«
Er sah mich lange an, wandte seine Augen nicht einen Moment lang von mir ab und erforschte meinen Blick. »Ja, ich denke, das kann ich.«
»Gut. Dann ist es an der Zeit für einen kleinen Ausflug. Heute Abend? So gegen Einbruch der Dunkelheit?«
»Um was für eine Art Ausflug handelt es sich denn?«
»Das werden Sie dann schon sehen. Oh, es wäre gut, wenn Sie eine Schaufel dabeihätten, und könnten Sie vielleicht auch noch einen Hund mitbringen?«
»Einen Hund? Wozu das denn?«
»Als Tarnung natürlich.«
»Eine Schaufel und einen Hund.«
»Das wäre dann alles. Ach, und Taschenlampen.«
»Sie sind eine geheimnisvolle Frau, Lucy Valentine.«
»Wenn Sie wüssten, Mr Donahue.«
◊ 9 ◊
K urz nachdem Sean das Büro verlassen hatte, klingelte das Telefon. Da Dovie noch nicht wieder aufgetaucht war, musste ich mich darum kümmern.
Mit den Worten »Valentine Incorporated, guten Morgen« nahm ich den Anruf entgegen, während ich vor dem Aktenschrank meines Vaters hockte und ihn durchwühlte. Ein wenig halbherzig suchte ich nach möglichen Partnern für meine Kunden.
Sean und ich hatten für den Notfall unsere Handynummern, und wir hatten verabredet, uns um halb fünf am Hingham Shipyard zu treffen. Ich redete mir ein, dass ich mich überhaupt nicht darauf freute, ihn wiederzusehen, aber wer wollte das schon glauben?
»Hier ist Preston Bailey von der South Shore Beacon . Könnte ich bitte mit Ms Valentine sprechen?«
»Tut mir leid, aber die ist gerade beim Mittagessen«, log ich und versuchte, durch einen näselnden Tonfall meine Stimme zu verstellen.
Sie grunzte und legte auf.
Ich lächelte und setzte mich hin, streckte die Beine aus und wackelte mit den Zehen. Meine Stiefel mit den Pfennigabsätzen lagen neben der Tür.
Während ich die Mappen durchforstete, musste ich andauernd an Michael denken.
Ich vermutete, dass er für die Leiche verantwortlich sein könnte. Und obwohl ich mich bemühte, dieser Theorie keine Beachtung zu schenken, ging sie mir einfach nicht aus dem Kopf.
Die Leiche war dort begraben, wo er wohnte. An ihrem Finger steckte sein Ring …
Aber Moment mal.
Der Ring!
Wenn Michael für den Tod dieser Person verantwortlich wäre, dann wüsste er natürlich, wo sich das Familienerbstück befand. Und dann hätte er beim Händeschütteln nicht daran gedacht, dass er den Ring verloren hatte. Und ich hätte die Bilder des Schmuckstücks nie vor mir gesehen.
Er hatte keine Ahnung, wo der Ring steckte.
Er wusste nichts von der Leiche.
Er hatte sie nicht getötet.
Dessen war ich mir jetzt sicher.
Ich lächelte und war mit einem Mal unglaublich erleichtert, dass unter unseren Kunden kein kaltblütiger Mörder war. Es gab mit Sicherheit kein Ferienziel, keine Insel, die weit weg genug wäre, um so einer Schlagzeile zu entkommen.
Meine Erleichterung hielt aber nicht lange an.
Jemand war getötet worden. Und so, wie es im Moment aussah, wussten nur zwei Menschen von dem Mord. Der Killer. Und ich.
Wie war ich bloß in diese Situation hineingeraten? Im Moment war doch (wenn ich mich auch ein wenig sträubte) Liebe mein Geschäft, nicht Mord.
Ich schloss den Aktenschrank und seufzte. Für heute war ich fertig. Ich konnte nur eine gewisse Anzahl von Mappen durchsehen, bevor vor meinen Augen alles zu verschwimmen begann.
Dennoch hatte ich an Raphael gedacht und ein paar Kandidatinnen für ihn herausgesucht. Ich fand drei Frauen, die ihren persönlichen Angaben zufolge vielleicht – vielleicht! – zu ihm passen würden. Seltsamerweise freute ich mich plötzlich darauf, ihn zu verkuppeln. Ich hoffte nur, ihn nicht zu enttäuschen.
Mein Handy klingelte. Es war Marisol.
»Hast du Em gesehen?«, fragte sie.
Ich hatte Marisol Valerius und Emerson Baumbach bei einer Mutter-Kind-Yogastunde kennen gelernt, als wir drei Jahre alt waren. Wie unsere Mütter uns gerne unter die Nase rieben, war es Abneigung auf den ersten Blick gewesen.
Erst im Kindergarten, als der Teufelsbraten Johnny Campanto Marisol die Zöpfe abgeschnitten hatte, hatten wir Mädchen uns zusammengerauft. Entscheidend war dabei gewesen, dass Em und ich ihn im Gegenzug an seinem Stuhl festgeklebt hatten, von dem er eine Stunde lang nicht mehr losgekommen war. Die guten
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