Im Bann der Dämonin
immer noch. Ihm ging nur eine Frage durch den Kopf: Wem bin ich verpflichtet? Arielle oder Luciana?
Keiner von beiden, war seine Antwort. Ich bin nur meiner Aufgabe verpflichtet, die Menschheit zu beschützen.
Er stieg in das Polizeiboot, denn er wollte verstehen, wovon Arielle da die ganze Zeit sprach. Und er durfte nicht zulassen, dass Luciana einen weiteren Menschen tötete – selbst wenn dieser Mensch ein Mörder war.
„Kommen Sie!“ Infusino nickte ihm freundlich zu. „Wir müssen schnell zur Erlöserkirche.“
„Sie ist nicht in der Erlöserkirche. Sie ist in Murano. In der Glasfabrik, die die Galerie ihrer Schwester bestückte.“ „Was? Woher willst du das wissen?“ Arielle sah ihn mit forschendem Blick an.
„Vertrau mir einfach!“
„Ich weiß, wo diese Glasbläserei ist“, meldete sich Infusino zu Wort und legte den Gang ein.
Während das Boot über die Wellen hüpfte, forderte Arielle beim Hauptquartier in Venedig Verstärkung an. „Warum hat Luciana dich nicht in die Glasbrennerei gebracht, wenn sie dich töten wollte?“
„Weil sie niemals wirklich vorhatte, mich zu töten“, antwortete Brandon. „Jeder ihrer diesbezüglichen Versuche scheiterte erbärmlich, denn sie brachte es nie übers Herz. Aber bei Jude wird das anders sein.“
Arielle sagte nichts mehr. Sie schürzte nur die Lippen und starrte hinaus auf die Lagune.
Als sie Murano erreicht hatten, legte Infusino an und scheuchte sie aus dem Boot.
„Wie können nicht vorne vor der Fabrik halten“, erklärte er. „Wir müssen subtiler vorgehen. Es gibt einen Hintereingang.“
Sie stiegen aus und folgten Infusino durch einen Durchgang, der sie zur Rückseite eines großen Backsteingebäudes führte. Zylinderförmige Kamine spuckten Rauch in den dunklen Abendhimmel. Aus dem Inneren waren Geräusche zu hören, die wie das Schmieden von Metall und laut loderndes Feuer klangen.
Infusino bedeutete den anderen, zu warten, während er mitBrandon zu einem der Fenster kroch.
Als sie ins Innere der Fabrik spähten, schoss Brandon sofort ein Gedanke in den Sinn.
Sie bereiten die Endzeit vor.
Folterinstrumente. Waffen. Öfen.
Berge von abgetrennten Gliedmaßen.
Um wie viele Leichen es sich handelte, konnte er unmöglich sagen. Das Fleisch war abgehäutet und blutig, eine Anhäufung von Gliedern, schaurig anzusehen. Ob die Reste von Mensch oder Tier stammten, war nicht zu erkennen.
Und Jude. Gefangen in einer Horrorszene, umringt von Dämonen, die ihm mit ihren glühend heißen Werkzeugen Hiebe und Stöße versetzten.
Einen Moment lang verspürte Brandon so etwas wie Genugtuung.
Endlich bekommt mein Mörder seine gerechte Strafe …
Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen, um diesen Gedanken aus seinem Hirn zu vertreiben.
Stattdessen zwang er sich, sich auf seine eigentliche Aufgabe zu besinnen.
Wer bin ich? Was bin ich? Ein Schutzengel .
Egal, welche primitiven Gefühle ihn gerade für einen kurzen Augenblick übermannt hatten, als er den gequälten Jude sah – er wusste und war überzeugt davon, dass seine Rolle als Engel alles andere überstrahlte. Sein Schwur, die Menschheit zu beschützen, war wichtiger als jeder persönliche Rachegedanke, den er für eine erbärmliche Person wie Jude übrighatte.
Die beiden Engel gaben ihre Beobachtungsposition am Fenster auf und kehrten zum Rest der Gruppe zurück. Sie beschrieben ihnen, was sie gesehen hatten.
Infusino nickte nachdenklich. „Wir wussten, dass so etwas kommen würde.“
„Wir wussten, dass sich die Dämonen sammeln, aber wir wussten nicht, was sie vorhatten. Das ist erst der Anfang. Hierwerden weitere Dämonen auftauchen. Und weitere Vorbereitungen treffen.“ Arielle schien in ihrem Element zu sein.
Und Brandon hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl. Er fragte sich, ob er mit seinen Vermutungen über Arielle recht behal-ten sollte.
Ob sein Bauchgefühl stimmte. Ob sie wirklich böse war.
Oder ob sie einfach nur hingebungsvoll ihre Mission auf Erden befolgte und das tat, was für den Schutz der Menschheit und im Kampf gegen die Dämonen vonnöten war.
„Habt ihr deswegen das Exerzitienhaus gekauft?“
Sie nickte. „Ja, und du musst mir jetzt helfen. Wir von der Kompanie müssen einander vertrauen, wenn wir diesen Kampf gewinnen wollen. Ich weiß nicht, wie wir die Dämonen besiegen können – wir müssen uns etwas einfallen lassen. Hier bleiben können wir nicht. Wir müssen zuerst einen Plan machen und dann wiederkommen.“
Dann ist es zu spät,
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