Im Bann der Dämonin
würde ich sagen, Sie haben es mir nicht gerade leicht gemacht. Wir sind also quitt.“
Sie zerrte an ihren Handschellen. Offensichtlich nahm ihr Temperament wieder überhand. „Wir sind alles andere als quitt! Machen Sie mich endlich los! Erst wenn Sie mich gehen lassen, sind wir quitt.“
Ohne etwas zu erwidern, begutachtete er ihren Rücken. „Wir sollten die Glassplitter entfernen.“
„Das heilt von alleine“, stieß sie trotzig hervor.
Beide wussten, dass das stimmte. Bei unsterblichen Wesen wie Engeln und Dämonen heilten Wunden sehr schnell, wenn auch nicht sofort.
„Aber wenn wir die Splitter entfernen, heilt es besser.“
Also öffnete er die Handschellen und nahm ihre Arme nach vorn, damit er sich ihre Hände anschauen konnte.
Aus seinem Kulturbeutel nahm er eine Pinzette und goss Wodka darüber.
Dann zog er den Stoff ihres Kleides am Rücken weg. Ihr rosafarbenes Seidenkleid war so voller Blut, dass sie ihm schon beinahe leidtat. Ihr Rücken war mit bunten Glasscherben gespickt.
„Gleich wird es brennen.“
Mit dem Wodka getränkten Waschlappen tupfte Brandon vorsichtig ihre Haut ab.
Und spürte, wie ihr Körper reagierte.
„Ich habe im ewigen Höllenfeuer gebrannt. Glauben Sie, das wäre nur annähernd vergleichbar?“ Brandon hörte, wie ihre Stimme zitterte. Sie bluffte. Doch dann fügte sie hinzu: „Geben Sie mir einen Schluck Wodka!“
Er suchte ein Glas und goss ihr etwas ein. Dann hielt er ihr das Glas an die Lippen, während sie den Kopf nach hinten legte. „Noch einen.“ Auch dieses Glas leerte sie auf einen Zug.
Brandon setzte sich neben sie und begann, ihr Kleid an den Stellen aufzuschneiden, wo es blutig an ihrer Haut klebte.
Dann entfernte er die Glassplitter aus ihrem Rücken.
Stückchen für Stückchen ließ er sie in ein Glas fallen, das auf dem Nachttisch stand. Schließlich war das Glas voll mit Scher-ben, an denen ihr Blut klebte.
Er presste ihr sein feuchtes Handtuch auf den Rücken. Kaum war er fertig damit, begann ihre Haut zu heilen. Die Wunden schlossen sich. Selbst im Reich der Dämonen gab es Wunder.
Sie wehrte sich, als Brandon ihr die Handschellen wieder anlegte.
Von draußen erklang Getöse.
Das erste Feuerwerk wurde gezündet.
Ein langes Pfeifen schoss zwischen den Gebäuden nachoben, gefolgt vom Bersten der Detonation und mehreren kleineren Böllern. Aus den benachbarten Fenstern erklang die Musik zum Feuerwerk, bombastische italienische Opernwerke.
„Machen Sie wenigstens das Fenster auf“, bat sie ihn sanft. „Diese Pension ist zwar billig, aber die Lage ist sehr gut. Wahrscheinlich können wir von hier aus das Feuerwerk sogar sehen.“
Brandon ging zum Fenster und öffnete es.
Vor ihm breitete sich ein Panorama aus terrakottafarbenen Dächern aus, die im blassen Mondlicht schimmerten. In den Nachbargebäuden standen überall Menschen an den Fenstern, auf Balkonen und Dächern. Die Bucht war voller Boote in allen Größen und Formen, auf denen Menschen feierten. Alle reckten sie die Hälse, um das Feuerwerk nicht zu verpassen.
Auch Luciana hatte das Gesicht – so gut es vom Bett aus ging – nach oben gewandt, dem Nachthimmel entgegen, und ihre bleiche Haut reflektierte die bunten Lichter. Ihr Gesicht war schöner als jedes Feuerwerk – trotz aller Traurigkeit. Schöner als diese wunderbare, allmählich verfallende Stadt.
Und er, der sie gefangen genommen hatte, wollte sie von ihrem Elend befreien.
Vor dem Fenster ging das Lichterspektakel weiter. Wieder regnete es Farben, diesmal jedoch war der bunte Regen von einem lauten Knallen begleitet, das in seinem Kopf wie ein Schusswechsel in Zeitlupe klang.
Er biss die Zähne zusammen. Sein Rücken begann zu zucken, und er bekam einen Moment lang keine Luft, als er an seine menschlichen Wunden erinnert wurde. Körperlich war er wiederhergestellt. Doch die Erinnerung an seine Narben war noch nicht verheilt und wurde durch das Knallen wieder lebendig.
Sie musste den Schmerz in seiner Miene gesehen haben.
„Was ist denn, il mio angelo? Wurde mal auf Sie geschossen?“
Die Erinnerungen durften ihn nicht gefangen halten, er musste seinen Schmerz so schnell wie möglich vergessen.
Doch sie ließ nicht locker. „Sind Sie auf diese Weise gestorben?Mein Beileid. Der Tod ist mies, nicht wahr? Wissen Sie … Ich kann Ihnen Ihren Schmerz nehmen. Ich kann dafür sorgen, dass es Ihnen besser geht. Ich könnte Ihnen ganz neue Welten zeigen, wenn Sie mich ließen.“
Ich bin wach, das ist kein
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