Im Bann der Dämonin
Yogalehrerin. Vor wenigen Wochen wäre es Luciana fast gelungen, sie zu töten“, erklärte Arielle gerade Infusino, der nickend die Information kommentierte.
Den Namen dieses Mädchens zu hören ist für mich genauso unerträglich wie das Geräusch von Fingernägeln auf einer Tafel, dachte Luciana. Doch diese Serena ist nicht viel mehr als ein Ärgernis, eine Herausforderung ist sie wohl kaum .
„Und dann ist da noch Julian Ascher“, fuhr Arielle fort. Sie senkte die Stimme. „Lucianas ehemaliger Liebhaber. Er ist der Grund, warum sie überhaupt zur Dämonin wurde.“
Luciana hörte nicht mehr zu.
Sie kannte die Details zur Genüge, die Arielle an Infusino weitergab.
Diese Geschichte kannte sie in- und auswendig.
Das Flugzeug rumpelte, und Lucianas Magen fing an zu rebellieren. Ob das an dem Gewackel lag oder an der Erwähnung von Julians Namen, wusste sie nicht. Als sie Julian das letzte Mal vor wenigen Wochen gesehen hatte, war ihr Racheplan gescheitert. Vielleicht tat sich bald eine neue Chance auf.
Jetzt hatte sie nichts mehr zu verlieren.
Luciana musste grinsen und drehte rasch den Kopf zur Seite, um das Grinsen vor ihren Bewachern zu verbergen.
Brandon war es nicht entgangen. Er runzelte die Stirn.
Soll er sich Gedanken machen, dachte sie. Auch er wird büßen .
Die Hoffnung auf Rache hielt Luciana für die kommenden Stunden aufrecht, als sie aus dem kleinen Flugzeugfenster starrte. Der Gedanke war da und verließ sie auch nicht, als sie landeten und Luciana sich in der dunstig-trockenen Sommerlandschaft des San Fernando Valleys wiederfand. In nur einem halben Tag hatten die Engel sie aus ihrem kühlen Marmorpalazzo in Venedig hierher verfrachtet.
Einem Palazzo, den es nicht mehr gab.
Brandon betrachtete die Dämonin, die aus dem Fenster sah und ihre frühmorgendliche Ankunft in den Vereinigten Staaten beobachtete. Das Sonnenlicht schien auf ihr Gesicht, und er war einmal mehr fasziniert von ihrer Schönheit, trotz aller Erschöpfung. Trotz aller Verzweiflung, trotz aller Wut.
Doch er weigerte sich, Mitleid mit ihr zu haben.
Sie verdient es, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt für das, was sie getan hat, überlegte er. Ob das in Los Angeles oder in Chicago geschehen wird, obliegt Michaels Entscheidung. Ich muss dringend Kontakt zu ihm aufnehmen .
Als das Licht der Sonne ihre Augen erfasste, leuchtete das Grün noch intensiver. Sie sah ihn an.
In diesen grünen Augen stand eins geschrieben: Krieg.
Trotzdem wusste Brandon: Die Dämonin zu verlassen war keine Alternative für ihn.
„Gehen wir.“ Arielle erhob sich.
Mit einem Seufzer löste er die Handschellen der Dämonin. Führte sie die Metalltreppe herunter, hinaus in die Juli-Hitze, durch das Terminal und den Ausgang, wo schon ein Sonderfahrzeug der Kompanie auf sie wartete. Brandon schob Luciana hinein und setzte sich neben sie, Arielle und Infusino nahmen auf der Sitzbank hinter ihnen Platz.
Keiner von ihnen sagte ein Wort, während draußen dieLandschaft an ihnen vorbeizog, die in der Morgenstille friedlich dalag.
„Fahren wir eigentlich wieder zu so einer eurer üblichen Bruchbuden?“ Nach über einer Stunde brach Luciana das Schweigen. „Ihr Engel mit eurer scheinheiligen Armut.“
Insgeheim erwartete auch Brandon eine eher bescheidene Herberge. Unter „Exerzitienhaus“ stellte er sich eine heruntergewirtschaftete und vernachlässigte Anlage vor. Ein paar rustikale Hütten, knapp besser als ein Campingplatz. Schimmelige Badezimmer. Primitive Kochstellen und gemeinsamer Küchendienst. Liederabende am Lagerfeuer.
Sicher keine von Mauern geschützte, weitläufige Anlage wie die, vor der sie jetzt anhielten. Dahinter verbarg sich ein mehrstöckiges Gebäude, das von Frank Lloyd Wright entworfen worden war.
Ein seltsamer Schauer durchströmte Brandon, als der Fahrer durch ein Eisentor auf das Gelände fuhr. Die klaren Linien der weiß getünchten Gebäude erglühten im Sonnenlicht. Kaum hatte sich das Tor hinter ihnen geschlossen, verstand Brandon, wieso Arielle diesen Ort ausgewählt hatte. Nicht etwa, weil die Anlage die Titelseite einer Architekturzeitschrift verdient hätte. Sondern weil dieses Haus, trotz seiner gelungenen Architektur, trotz der Harmonie zwischen dem Bau und seiner Umgebung, ein richtiger Bunker war.
Fort Knox am Meer.
Diese Tore waren sicher einmal dazu gedacht gewesen, unerwünschte Besucher fernzuhalten.
Jetzt hielten sie die Besucher davon ab, nach draußen zu gehen.
„Was ist das hier?“,
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