Im Bann der Engel
heraus.
»Nein, der Heiratsantrag war echt. Ich verstehe nicht, wie du so verblendet sein kannst, dem da den Vorzug zu geben.«
Verächtlich wies er mit dem Kinn auf den Engel.
»Weil seine Gefühle echt sind. Du möchtest mich nur besitzen. Vielleicht, weil du mein Äußeres liebst oder ein Weib für deinen Herd suchst. Es ist keine Liebe sondern Egoismus, der dich zu dem Antrag verleitet hat.«
»Gut«, warf Amenatos ein, »dann bleibt noch die Frage, was du mit den Spießgesellen des Reverend zu tun hast.«
Steven schwieg beharrlich.
Nachdem sie sich im Raum nebenan ausführlich beraten und Elena eine Folterung abgelehnt hatte, kamen sie überein, Steven laufen zu lassen. Auch auf die Gefahr hin, eines Tages gegen ihn kämpfen zu müssen.
Elena suchte sich aus dem Wust an Kleidern, die überall in den beiden Zimmern verstreut lagen, etwas Brauchbares heraus. Sie wählte ein schlichtes Kleid aus dunkelblauer Wolle und ihre bequemsten Schnürstiefel, da sie nicht wusste, wie lange sie heute noch auf den Beinen bleiben würde.
Als sie die Halle erreichten, wimmelte es vor bewaffneten Männern. Elena musste mehrmals ihren Namen nennen und dann warten, bis jemand ihn auf einer der geschätzten tausend Listen, abgehakt hatte. Dann erst ließ man sie weitergehen. Amenatos hatte es einfacher. Seine Flügel waren seine Eintrittskarte ins Reich der stampfenden Maschinen. Anstandslos ließ man ihn passieren.
Die Tür des Besprechungsraumes stand offen, alle Stühle waren belegt. Nie zuvor hatte Elena so viele Geflügelte auf einmal gesehen. Madame Hazard tat immer so, als hätte nur eine Handvoll Engel die Prozedur überlebt. Elena zählte auf Anhieb ein Dutzend Männer, denen es offensichtlich blendend ging. Die Anwesenden waren in einen heftigen Disput verstrickt. Es dauerte eine Weile, bis Elena den Inhalt des Streits nachvollziehen konnte. Amenatos lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand und schwieg.
Die Clearer wurden aufgrund der erhöhten Sicherheitsstufe ausgeschlossen, die Wissenschaftler mussten ihre Daten selbst eingeben. Viele jammerten über den Druck, den der Boss ausübte. Es war unschwer zu erraten, dass Madame Hazard diesem Treffen nicht beiwohnte.
Elena schlug mit einer dicken Aktenmappe auf den Tisch. Das klatschende Geräusch ließ die Kontrahenten verstummen.
»Vielleicht erübrigt sich gleich der Streit, wer die meisten Stunden hier verbringen muss. Ich habe mitbekommen, dass der Boss Kinder umwandeln möchte. Ist das wahr?«
Ihr Blick glitt suchend über die Gesichter. Doch lediglich Marcellus aus Madame Hazards innerem Stab war im Raum. Elena sah ihn scharf an. Er starrte ungerührt zurück. Es war so ruhig im Saal geworden, dass Elena das schwere Atmen des dicken Jerome hörte, der neben ihr saß. Marcellus sagte nichts, wohl aber nickte er huldvoll und – wie es aussah – voller Stolz.
»Das ist eine Grenze, die zu überschreiten ich nicht bereit bin! Kinder waren niemals Bestandteil unserer Untersuchungen.«
»Sie sind bereits hier«, sagte der dicke Jerome. »Ich habe sie persönlich in den Keller begleitet.«
Elena ignorierte ihn. Unverwandt sah sie Marcellus an. »Das geht eindeutig zu weit«, sagte sie kalt. »Und ihr, die ihr vielleicht selbst Kinder habt, solltet euch gut überlegen, ob ihr diese Schuld auf euch laden wollt.«
Elena sah einen nach dem anderen forschend an.
Marcellus räusperte sich übertrieben, dann sagte er: »Wir sind hier nicht in einem der modernen Länder, wo per Volksabstimmung wichtige Entscheidungen getroffen werden. Hier hat Madame Hazard das Sagen und wem das nicht passt, der kann sich gerne persönlich an sie wenden. Ich bin bereits am Überlegen, ob ich sie nicht besser zu dieser Besprechung dazu hole.«
»Und ich bin am Überlegen, ob wir das Volk nicht doch entscheiden lassen sollten. Cravesbury scheint ja begeistert von den Machenschaften hier zu sein. Oder werden dann wieder Häuser brennen?«
»Noch ein Wort und ich…«, presste Marcellus drohend zwischen den Zähnen hervor.
»Und du kannst dich mit mir weiter streiten«, unterbrach Amenatos und lächelte schmal.
Elena war ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Sie kochte vor Wut. Stimmengemurmel hob an. Es schien, als wüsste nicht jeder der Anwesenden, was sich in der Nacht in der Stadt zugetragen hatte oder vielmehr, wer die Verursacher der Brände und Attentate war.
»Ja, da staunt ihr«, sprach Elena weiter. »Die Schar des Reverend ist schon bei mir eingebrochen und
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