Im Bann Der Herzen
Welt, die seine Taschen füllen sollte, herabsah. Dies alles hatte er nur der verschleierten Vermittlerin enthüllt. Und es war genau diese Verachtung, die er ihr den ganzen Nachmittag gezeigt hatte.
Spitz erwiderte sie: »Da Sie diese Menschen wegen einer leichteren und lukrativeren Praxis im Stich lassen wollen, steht es Ihnen nicht zu, mit Steinen zu werfen, Dr. Farrell.«
Er schwieg, denn er hatte ihren Abscheu gesehen, hatte gesehen, wie sie vor den Unglücklichen in seinem Wartezimmer zurückgeschreckt war. Er dachte nicht daran, seinen Atem zu verschwenden und ihr alles zu erklären.
Plötzlich sagte Chastity: »An der nächsten Haltestelle steige ich aus und nehme eine Droschke.« Sie stand auf. Ihr Gesicht wirkte, unter der flackernden Straßenbeleuchtung, die ins Innere des Fahrzeuges fiel, sehr bleich.
Douglas wollte sie aufhalten, wollte sogar eine Entschuldigung versuchen, doch war er von ihrer Blässe beunruhigt, die als Gegensatz zu ihrem roten Haar noch erschreckender wirkte. Er hatte den Eindruck, sie würde in Tränen ausbrechen. »Ich bringe Sie ...«
»Nein, das werden Sie nicht«, unterbrach sie ihn schroff. »Danke, nein. Lassen Sie mich vorbei?«
Er stand auf, und sie drückte sich an ihm vorüber und drängte sich zum Ausgang durch. Er setzte sich wieder, die Lippen zusammengekniffen. Er war nur knapp einer Katastrophe, die alle seine Pläne gefährdet hätte, entgangen. Er war wütend gewesen, weil Chastity ihn in die Zwangslage gebracht hatte, ihr ein Versprechen zu entlocken, als sei St. Mary Abbot's etwas, dessen er sich schämte. Ebenso wütend war er über ihr Auftauchen in seiner Praxis, weil er das Gefühl hatte, das Elend seiner Patienten würde jemandem preisgegeben, der es nicht nachempfinden konnte - aber auch, weil sie eine Bedrohung seiner Privatsphäre und seiner Pläne darstellte.
Aber das alles war keine ausreichende Entschuldigung für sein unmögliches Betragen. Tatsächlich verstand er nicht, was ihn zu diesem dummen Ausbruch von Feindseligkeit bewogen hatte. Meist verbarg er seine echten Gedanken und Gefühle meisterhaft. Er wusste, dass die Erwartung unrealistisch war, jemand aus Chastitys Milieu würde etwas anderes als Abscheu für die elenden Slumbewohner empfinden. Aus dem Gefühl hatte sie ja auch kein Hehl gemacht, so dass es für ihn eigentlich keine Überraschung war. Ebenso wusste er, dass er von einer Frau, die seine Anforderungen erfüllte, nicht erwarten durfte, sie würde zudem noch Verständnis für seine Mission aufbringen. Längst hatte er sich damit abgefunden, dass es ihm genügen musste, wenn seine Partnerin seiner Arbeit nicht ablehnend gegenüberstand.
Aber wie sollte er die Situation retten? Er konnte nicht gut Weihnachten als Gast einer Frau verbringen, die er so tief gekränkt hatte. Und wenn er um Laura della Luca werben wollte, musste er die Möglichkeit dazu haben. Weihnachten unter einem Dach bot ideale Chancen.
Als der Omnibus mit einem Ruck an der Oxford Street hielt, arbeitete Douglas sich zum Ausgang vor und stieg aus. Die Straße war trotz der Kälte sehr belebt, da alle Welt unterwegs war, um Weihnachtseinkäufe zu tätigen. Er ging in Richtung Wimpole Street und überlegte seinen nächsten Schritt. Er musste unverzüglich versuchen, Chastity zu versöhnen. Zuerst Blumen, dann ein Entschuldigungsbesuch, der gleichzeitig Gelegenheit bot, die für eine Gastgeberin wichtigen Fragen zu beantworten, vorausgesetzt, sie war noch an den Antworten interessiert.
Als Chastity nach Hause kam, fühlte sie sich noch immer emotional ausgelaugt. Sie eilte an Jenkins vorüber, der ihr die Tür geöffnet hatte, ehe sie den Schlüssel ins Schloss stecken konnte.
»Alles in Ordnung, Miss Chas?«
»Ja ... ja, danke, Jenkins. Ich bin nur halb erfroren«, rief sie über die Schulter, als sie die Treppe hinaufstürmte, der ersehnten und vertrauten Abgeschiedenheit ihres Salons entgegen. Hier war es warm, das Feuer loderte, die Lampen brannten. Sie entledigte sich ihrer Ü berkleider und warf sie über einen Stuhl an der Tür, ehe sie sich in einen tiefen Sessel am Feuer fallen ließ. Die Füße auf das Kamingitter stützend, schloss sie kurz die Augen.
Jenkins klopfte an und trat mit einem Teetablett ein. »Ich dachte, Sie wären einer Tasse Tee nicht abgeneigt, Miss Chas, ... gegen die Kälte.« Er musterte sie besorgt. »Fühlen Sie sich wohl?«
»Aber ja«, sagte sie. »Sehr wohl, danke. Und der Tee ist herrlich.«
»Es liegen auch ein paar von
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