Im Bann Der Herzen
ihm nicht bieten, da sie zwischen ihren Schwägern stand und sich angeregt mit einem kleinen und offenbar sehr gesprächigen Mädchen unterhielt.
Die Hilfe sollte ihm in Gestalt der anderen Schwester zuteil werden. »Douglas, Sie gestatten, dass ich Sie Miss Winston, Sarahs Gouvernante, vorstelle«, sagte Prudence und trat in Gesellschaft einer Frau zu ihnen, deren unauffällige, aber angenehme Züge Intelligenz und Humor ausstrahlten. »Und das ist Signorina della Luca, Mary.« Sie deutete auf Laura. »Miss Winston ist ein Born des Wissens, was italienische Kultur betrifft, Laura. Sicher werden Sie gemeinsamen Gesprächsstoff finden. Sie sprechen fließend Italienisch, Mary?«
»Das würde ich nie behaupten, Lady Malvern«, korrigierte Mary mit bescheidenem Lächeln. »Ich spreche es lediglich annehmbar.«
»Nun ja, die Sprache fließend zu beherrschen, lernt man nur, wenn man im Land gelebt hat«, sagte Laura und betrachtete die Gouvernante mit Geringschätzung. »Ich kann mir nicht denken, dass dies bei Ihnen der Fall war, Miss ... hm ... Winston? Es sei denn, Sie standen in den Diensten einer italienischen Familie?«
Es war ein gezielter Versuch, sie in ihre Schranken zu weisen. Mary ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen, während in Douglas Zorn aufstieg. Unwillen lag in seinem Gesichtsausdruck, als er Laura musterte, ihren verkniffenen Mund, den bleichen Teint, das weiße Taftabendkleid, das ihre hopfenstangenähnliche Gestalt wenig schmeichelhaft betonte. Wieder ertappte er sich bei der Frage, ob die offenkundigen Vorteile einer Vernunftehe das ständige Ärgernis ihrer Gesellschaft aufwiegen würden. Und wieder sagte er sich, dass man ja nicht viel Zeit miteinander verbringen musste. Laura würde keinen ergebenen Ehemann wollen, sondern einen nützlichen.
Er war ein guter Menschenkenner, und der Typ, den Laura verkörperte, war ihm schon unzählige Male begegnet. Sie würde nur zu gern ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen wahrnehmen und alle praktischen Dinge für ihn so erledigen, dass sie ihren Zwecken dienten, während er völlig in der Arbeit aufging. Eine Frau wie Chastity Duncan andererseits würde viel mehr von einem Ehemann fordern. Sie würde einen engagierten Partner wollen, einen mitfühlenden und anregenden Gefährten ... einen leidenschaftlichen Liebhaber. Sein Blut geriet bei diesem Gedanken in Wallung, so dass er ihn rasch verdrängte. Er hatte in den letzten Stunden Zeit genug gehabt, zur Kenntnis zu nehmen, dass jener impulsive Kuss tatsächlich eine Verirrung dargestellt hatte. Er trübte nur den klaren Blick, den er sich von seinen Bedürfnissen und seiner Zukunft zurechtgelegt hatte. Chastity würde eine gute Freundin sein, und falls die Freundschaft einen Funken sexuelle Anziehung barg, war es nur von Vorteil. Für Gefühlsverwirrungen war in seinem Leben kein Platz - eine Lektion, die er vor langer Zeit gelernt hatte.
Diese Überlegungen dämpften seinen Ärger über Lauras Ungezogenheit keineswegs. Er zeigte ihr mit Absicht die kalte Schulter und bemerkte voller Wärme zu Mary: »Was meinen Sie - gibt es echte Parallelen zwischen Latein und Italienisch, Miss Winston? Von der medizinischen Terminologie abgesehen, bin ich nur ein mittelmäßiger Kenner klassischer Sprachen, frage mich aber häufig, wie es um diese Verwandtschaft bestellt ist - ähnlich wie beim Neugriechischen, dessen Ursprünge im klassischen Griechisch klar zu erkennen sind.«
»Eine interessante Frage, Doktor«, sagte Mary.
»Ach, ich glaube, es bestehen überhaupt keine Übereinstimmungen«, stellte Laura fest.
Douglas tat so, als hätte er nichts gehört. Er nahm Miss Winstons Arm und zog sie mit sich, fort von Laura, und begann mit ihr ein angeregtes Gespräch. Laura sah leicht verdattert drein, als begriffe sie nicht, was geschehen war. Constance und Prudence wechselten einen viel sagenden Blick und überließen es nach einer Entschuldigung ihrem Gast, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Es war daher eine höchst willkommene Ablenkung, als von der Zufahrt her lauter Gesang ertönte. Jenkins durchmaß die Halle würdigen Schrittes, öffnete mit großer Geste die Tür und ließ einen Schwall kalter Luft ein. Ein fröhlicher Chor stimmte die jubilierenden Strophen von »Guter König Wenzeslaus« an, und die Hausgesellschaft drängte zur Tür, um zu lauschen.
»Fröhliche Weihnachten«, wünschte Lord Duncan mit ausgebreiteten Armen. »Herein, nur herein.« Nun war er in seinem Element, als er die
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