Im Bann der Liebe
abgewaschen und saß am Klavier, um ihm sanfte Melodien zu entlocken, als sie Aubreys Gegenwart spürte. Er hatte an jenem Abend verlangt, dass sie mit dem Spielen aufhörte, und sie hätte es getan, wenn sie gekonnt hätte, aber sie schaffte es nicht. Sie brauchte die Musik, schöpfte Kraft und Ruhe aus ihr.
Selbst als sie Aubreys zitternde Hände in der Nähe ihrer Schultern spürte, ehe er sie berührte, spielte sie weiter. Sie schloss die Augen, als Emotionen sie überwältigten.
Schließlich griff Aubrey sanft nach ihren Handgelenken und hielt sie fest. Dann zog er sie hoch und drehte sie zu sich um, bis sie so dicht vor ihm stand, dass sie meinte, seinen Herzschlag zu hören.
»Was machst du mit mir. Susannah?«
Sie sah ihn an. Sie mit ihm? »Es tut mir Leid«, stieß sie hervor. »Ich habe nur ...« Dann merkte sie, dass er wieder ihre Handgelenke umfasst hatte. Oder hatte er sie nie losgelassen?
Seine Augen wirkten gehetzt, und die Lichter warfen gespenstische Schatten auf sein Gesicht. Ihr Puls raste unter seinen rauen Händen und verriet mehr, als ihr lieb war. »Susannah«, sagte er.
Sie erwiderte seinen Blick, auch wenn sie sich dazu zwingen musste, und in diesem Augenblick erkannte sie, dass sie Aubrey Fairgrieve liebte, wie sie nie einen anderen Mann lieben würde. So hatte sie noch nie empfunden, noch sich vorgestellt, es je zu tun, und es erfüllte sie mit Trauer und Jubel zugleich. Aubrey konnte und würde ihre Gefühle nie gleichermaßen erwidern, das hatte er bereits klar gemacht. Außerdem glaubte sie, dass er immer noch zu Julia gehörte.
»Lass mich los«, bat sie leise.
Er ließ sie los, trat aber nicht zurück. »Heirate mich, Susannah.«
Sie wollte nichts lieber, als seine Frau werden, aber sie schüttelte den Kopf. Irgendwie brachte sie den Mut auf, es ihm zu sagen. »Es geht nicht, du warst der Mann meiner besten Freundin.«
»Julia ist tot, wir nicht. Sollen wir denn so tun, als wären wir mit ihr begraben?«
Sie wusste, dass er Recht hatte, dass Julia ihr nicht böse wäre, dass Aubrey ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, ja dass sie sogar ermutigt hätte, und wenn nur um Victorias willen. Sie stieß langsam den Atem aus. »Ich denke nicht, dass sie das wollte«, gestand sie zu, »aber da ist noch die Frage der Liebe.« Es war wie ein Sprung ins tiefe Wasser, als sie fragte: »Liebst du mich, Aubrey?«
Er schwieg sehr lange, während sie zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankte. Dann seufzte er. »Nein«, gab er ehrlich zu, »aber ich mag dich sehr, Susannah. Und Himmel, ich will dich.«
Sie wollte ihn auch. Verzweifelt heftig. Aber nicht auf Kosten der Selbstachtung oder ihrer Träume, denn bei aller Naivität war sie vernünftig genug, zu wissen, dass er sich, wenn sein Verlangen erst einmal befriedigt war, nicht mehr so sehr für sie interessieren würde. Ihre Liebe zu ihm würde sie am Ende zerstören, es sei denn, er würde irgendwann ihre Liebe erwidern. Viele Frauen fanden nichts dabei, ihren Mann mit seinen Geliebten zu teilen, oder sie resignierten einfach, aber Susannah wünschte sich vollkommene Treue. Weniger kam für sie nicht infrage.
»Es tut mir Leid«, erklärte sie, ging an ihm vorbei und lief zur Treppe.
Er unternahm keinen Versuch, sie aufzuhalten.
Der nächste Morgen brachte noch mehr Klavierschüler, allesamt männlich. Wann immer Susannah Maisie über den Weg lief, die geschäftig den Ballsaal für das Fest vorbereitete, sah die Frau sie an, schüttelte den Kopf und lachte. Susannah dagegen war von ihrem Gespräch mit Aubrey noch irritiert und reagierte verärgert. Sie wollte den Mann nicht lieben - es passte nicht in ihr Konzept -, aber sie hatte keine Wahl. Es war ständig in ihren Gedanken und machte es ihr unmöglich, sich zu konzentrieren.
Sie gab gerade die letzte Stunde für den Tag, als der Moment eintrat, vor dem sie sich gefürchtet hatte. Aubrey kam unerwartet früh nach Hause und stürmte aufgebracht ins Zimmer. Das war eine andere Art Leidenschaft als die, die er am Abend vorher gezeigt hatte.
Zacharias, der seine zweite Unterrichtsstunde nahm, hörte auf, die Tasten zu malträtieren, und schenkte Aubrey ein charmantes Lächeln. »Hallo, Fairgrieve, wie geht's?«, fragte er freundlich.
»Zach«, grüßte Aubrey zurück, sah Susannah aber dabei wütend an.
»Zacharias nimmt gerade seine Klavierstunde«, erklärte Susannah und wappnete sich.
»Das sehe ich«, gab Aubrey zurück.
Der alte Mann stand auf und schob sich zwischen
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