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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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Hand.
    „Fürchtet Euch nicht. Ihr seid bei mir in guten Händen“, sagte er mit weicher Stimme, als er den jungen Mann zu einem der Särge führte und dieser vorsichtig hineinkletterte.
    Marcel legte sich flach hin. Der Marquis ging noch einmal zu der Anrichte, öffnete die oberste Schublade und entnahm ihr eine kleine Schachtel. Dann ging er zu seinem Mündel zurück. Er öffnete die Schatulle. Im Schein der einzelnen Kerze konnte Marcel erkennen, dass es sich um den Lilienring handelte, den auch Julien am Finger trug. Dieser kniete sich nun neben Marcels Sarg und steckte das Schmuckstück aus massivem Gold an dessen rechten Ringfinger.
    Der Junge blickte ihn unsicher an.
    „Wie ich schon sagte, halte ihn in Ehren. Ich werde dir später mehr darüber erzahlen“, flüsterte der Marquis, obwohl es hier unten keine Lauscher gab.
    Marcel nickte.
    „Vertrau mir“, sagte der Marquis und strich nun mit der rechten Hand über die Augen des jungen Vampirs.
    Dieser fiel in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
    Juliens Hand fuhr durch das leicht gewellte Haar des Ruhenden, drehte spielerisch eine Locke um den Zeigefinger. Er beugte sich über ihn. Zärtlich glitt seine Hand über die glatte Brust des Jünglings, die sich unter dem weißen Hemd gleichmäßig hob und senkte. Jetzt war Juliens Mund den Lippen von Marcel Saint-Jacques so nahe, dass er dessen kalten Atem in regelmäßigen Wellen spüren konnte. Er saugte ihn auf wie den Duft einer seltenen Rose und schloss die Augen dabei. Es war nur der Hauch eines Kusses, den er sich gestattete. Dabei überfielen ihn die Lust und Qual seines unerfüllten Verlangens. Er genoss diesen sinnlichen Moment, den er am liebsten für immer fest gehalten hätte. Dennoch erhob er sich und legte den Deckel auf Marcels Sarg.
     
    In den kommenden Jahren hielt ein Diener des Marquis de Montespan seinen Herrn über das Befinden der Comtesse Elise Saint-Jacques auf dem Laufenden und erstattete regelmäßig Bericht. Während Julien das Schloss auf eine längere Ruhephase aufgrund einer angeblichen Reise in die Kolonien vorbereitete, wartete er geduldig, dass der Gesundheitszustand der Comtesse sich aufgrund des voranschreitenden Alterungsprozesses verschlechterte. Die Jahre bis dahin vertrieb er sich mit nächtlichen Ausfahrten und Jagdausflügen, die mehr dazu dienten, seinen aufkeimenden Durst zu löschen, als Fleisch für die Küche zu beschaffen. Manchmal saß er aber auch einfach nur da und starrte stundenlang auf das Portrait von Marcels Saint-Jacques, welches der Maler inzwischen fertiggestellt hatte, und das nun gegenüber dem massiven Schreibtisch im Arbeitszimmer in einem goldenen Rahmen hing, während sein Schützling in dem geheimen Raum unter seinen Füßen schlief.
     
    Seit jenem verhängnisvollen Ball in Versailles hatte Elise das Anwesen der Saint-Jacques nicht mehr verlassen. Sie heiratete nie und flüchtete sich in eine Welt aus Wahnsinn und Einsamkeit, in der sie ihrer Dienerschaft das Leben zur Hölle machte, bis schließlich nur eine ältliche Hausdame das heruntergekommene Gebäude mit ihr gemeinsam bewohnte und das auch nur, weil diese großzügig dafür bezahlt wurde. Eben diese letzte Dienerin hatte der Lakai des Marquis bestochen, um an Informationen über deren Herrin zu kommen. Niemand hielt es lange bei der Comtesse aus. Selbst den Gärtner hatte Elise davon gejagt, so dass das einst so prächtige Gut mitsamt dem Garten jahraus und jahrein mehr und mehr verwahrloste. Elise war das egal. Sollte dieses Schloss mit ihren unliebsamen Erinnerungen darin doch genauso zugrunde gehen wie sie! Ihr war nur die Gewissheit wichtig, dass ihr Halbbruder tot war und nach ihrem Tode das Erbe ihres gemeinsamen Vaters nicht antreten würde.
     
    Eines Tages berichtete der Diener dem Marquis von der Lungenkrankheit, die die Comtesse ergriffen hatte und sie ins Bett verbannte.
    „Soso“, murmelte Julien de Montespan, „die Schwindsucht wird sie also dahin raffen.“
    Er gab dem Diener einen Silberling. Dieser verneigte sich tief und verließ das Arbeitszimmer. Julien öffnete die Geheimtür und begab sich in die Kammer, um Marcel Saint-Jacques zu wecken. Dazu bedurfte es nicht viel. Er hob den Sargdeckel hoch und warf einen Blick auf den friedlich Schlafenden. Er versagte sich eine Berührung, sondern forderte Marcel ihn in Gedanken auf zu erwachen. Dieser folgte dem Ruf des älteren Vampirs. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er die Orientierung und Erinnerung wieder gefunden

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